I.-VIII. / IX.-XI. / XI.-XIII. / XIII.-XIV. / XIV. / XV. / XV.-XVI. Jh "ab nach Hause"

DRAGAL


Zur Einführung eine Zeitenwanderung: Er spuckte durch die Scharte hindurch in das Schneegestöber: „Sankt Simeon sei Dank, heute ist Ruhetag. Bei dem Wetter werden sie die Stücke nicht spielen lassen“,...

Historischer Kontext ab 1450c:

Am 5. Jan. 1477 fiel Karl, Hz von Burgund, genannt „der Kühne“, in der Entsatzschlacht um Nancy. Seine Gegner triumphierten: der Kaiser, Fürsten und Bischöfe im Reich, die Herzöge von Lothringen und Österreich, die Eidgenossen und vor allem der frz Kg Ludwig IX. (1461-83), welcher bestrebt war das Herzogtum Burgund wieder in Lehnsabhängigkeit zu zwingen, aus der es sein Vorgänger in einem Moment der Schwäche entlassen hatte. Der kometenhaften Aufstieg des Hauses Burgund, das durch Heirat und Diplomatie seinen Machtbereich geschickt zu erweitern wusste, gestützt auf die Städte der Oberen und die der wohlhabenden Niederen Lande, hatte Argwohn und Neider hervor gerufen. Es war ein Ziel Karls die Lücke (lothringisches Reichsgebiet) zwischen den beiden Räumen zu schließen, sie zu vereinen, nicht durch Heirat wie seine Vorgänger, sondern mit militärischem Druck. Trotz verlustreicher Schlachten vermochte es Karl innerhalb kürzester Zeit neue Armeen mit einer hohen Zahl berittener Söldner, Bognern und vielen Handrohren sowie Geschützen zusammen zu stellen, eine kostspielige Angelegenheit. Andere Fürsten zögerten lange, bis sie Kontingente ins Feld brachten und versuchten jene möglichst nicht leichtfertig zu opfern, sondern sie als Druckmittel bei Verhandlungen zu verwenden. Der frz König investierte eher in die Diplomatie und schuf Koalitionen - Starrkopf Karl übersah solche Realitäten. Er schuf Bündnisse und nutzte sie nicht, verließ sich nur auf die eigenen Waffen. Zu den wichtigsten zählten nicht Geschützarsenal, Drill, Disziplin oder taktische Gliederung, das kannten andere Mächte auch und verstanden die Handhabung teilweise besser, sondern die Städte! Sie lieferten die Grundlage, nämlich das Geld. Das Potential der Niederen Lande war ungeheuer. In Mode und Etikette führte der burgundische Hof stilbildend, bemühte sich, in Dijon, Antwerpen, Brügge oder Brüssel tagend, seine Führungsrolle auch gegenüber dem aufstrebenden Bürgertum zu wahren. Prunkvolle Ausstattung und durch Schulung erreichte Eleganz in der Tragweise der Gewänder verliehen der burgundischen Mode Exklusivität mit Vorbildcharakter für andere Fürstenhöfe.[1]

Die Gesellschaft hatte sich deutlich gewandelt und allgemeiner Aufschwung war an steigenden Bevölkerungszahlen ablesbar. Die Einwohnerschaft auf Reichsgebiet hatte sich gegen Ende des Jhs gegenüber 1400 mit rd 15 Mio. Menschen nahezu verdoppelt. Die Zersiedelung des Landes bewirkte eine Ausweitung des Verkehrs. Große Städte waren überregional vernetzte Handelszentren, die eine neue soziale Schicht begünstigten, welche die Vormacht des Adels mit Hilfe des Geldes brachen und das Primat der Kirche bezüglich der Bildung in Frage stellten. Kein Bericht der Zeit läßt ausser Acht wie sehr sich Potentaten um die Bürger bemühten und man auf deren Wohlwollen angewiesen war, wie Stadtrebellionen Staaten erschütterten, wenn man um diese festen Plätze streiten musste. Hier traf man wichtige Entscheidungen, hier stiegen Fürstentümer oder fielen, hier saß mit dem Geld die wirkliche Macht!

Auf der anderen Seite begannen Städte sich in ihren Mauern einzuigeln und begünstigten durch den Zunftzwang eine Regionalisierung, welche über Jahrhunderte die Wirtschaft in Schranken hielt, so dass liberale Kräfte nach der „Frz Revolution“ den Befreiungsschlag anstrebten. Reformation und Calvinismus sollten an den Glaubensgrundsätzen rütteln, doch es fand nur eine Umdeutung statt. Noch bangte jeder um das Seelenheil und verstand die Erlangung, wie alles in dieser Zeit, gleichsam als Geschäft. Das Mittelalter hatte sich ein „Verfallsdatum“ vorgeschrieben, mit ungewissem Eintreten.

1450-1520

- Spätgotik -

Der „internationale“ Stil Burgunds aus den Niederen Landen

Wandteppich „Die Sinne“ Musee de Cluny ParisAO, urspl Brüssel 1478n


Rinke = Schnalle / Spenglin = Zierbeschlag (Niete) / Senkel oder Ort = Zunge

eis = Eisen, me = Messing, ws = Weißmetallüberzug, vs = versilbert, vg = vergoldet

FO = Fundort, AO = Aufbewahrungsort, ae = ähnlich

Es gab kein unbegrenztes Fortschreiten, sondern alles wirkte hin auf den letzten Tag und das „Jüngste Gericht“, dem sich jeder stellen musste. All unser Wort, Werk, Tun und Lassen / soll sein aus Gott und Gott umfassen.[S. Brant, SBNa, S. 165]

Vermögende stifteten für den Kirchenschmuck liturgische Gerätschaften, Altäre oder Altarretabel. Zwei Drittel erhaltener Tafelbilder stammen in Dtld aus der Zeit nach 1450 - eine faszinierende Quelle. Auch wenn biblische Geschichte szenisch umgesetzt wurde und damit Erzähltes zeitlich oder örtlich weit entrückt lag, wird uns in Details Einblicke in den Alltag des SMAs gewährt. Denn es gab unverzichtbare Bildelemente, z.B. Laternen in der „Gethesmane-Szene“, um die nächtliche Handlung zu suggerieren. Schergen benötigten Waffen beim „Kindermord“ oder „Gefangennahme“ sowie als „Grabwächter“, die Könige bei der „Anbetung“ ihre Herrschaftszeichen und Geschenke in Gefässen. Es ist interessant zu beobachten wie diese Gegenstände im Laufe der Zeit ihr Aussehen änderten. Bekleidungselemente hatten einen byzantinischen Einschlag, dann eine orientalisierende Note, aus Helmen und Kronen wurden geschmückte Turbane, die Klingen bogen sich zu Krummschwertern. Auf dem „Judaskuß“ der Sebalduskirche in Nürnberg von V. Stoss, gestiftet 1499 durch Fam. Volckamer, handelt definitiv kein röm Soldat, sondern jemand in osmanischer (Ver-)Kleidung. Nach Abbildungen entwickelte sich gegen Ende des Jhs der Gewandungsstil, vor allem der unterer Chargen, expressiv und ausdrucksstark. Es war die Zeit hoher Osmanengefahr, sie drohte vom Balkan auf Italien überzugreifen. Kunsterzeugnisse bekamen eine politische Note. Einzelobjekte, dem Alltag entnommen, wurden zuweilen ungewöhnlich arrangiert mit einer breiten Spannweite und bisher wenig beachteten Richtungen, siehe: Tafelbild und Aufführung


1450-1520:

1. Quellen und Frage der „Internationalität“

2. Mode in der zweiten Hälfte des XV. Jhs

3. Gürtelrekonstruktionen zur Darstellung gehobener Schichten (A-C)

4a Gürtelformen des einfachen Volkes

4b Gürtelrekonstruktionen zur Darstellung des einfachen Volkes (D-E)

___Faszination Tafelbild und Aufführung/Schauspiel im SMA

5. Spezielle Renaissance Formen ab 1500

6. Ausblick in die Neuzeit (das Bürgertum)

Veit Stoss, Sebalduskirche Nürnberg 1499


1. Quellen für die zweite Hälfte des XV. Jhs (oder wie „international“ waren Malstil und Mode?):

Seit den 1430er Jahren setzte sich in der Tafelbildmalerei die neue Ölfarben-Technik mit hoher Leuchtkraft der Farben durch, die ars nova, aus den Niederen Landen kommend (Meister von Flemalle, H. und J. van Eyk, R. vd Weyden, u.a.). Sie verblüffte in ihrer gesteigerten Realitätsnähe durch exakte Aufnahme von Stoffen und Schmuckaccessoires, perspektivisch getreue Landschaft und innerstädtische Architekturelemente sowie plastisch gestaltete Sachkultur mit Interieurs wie Leuchter, Möbel, Inventare, Kannen, Keramik, etc. Diese gewähren uns im beschränkten Maß Einblicke in die Alltagskultur, detaillierter als in vorherigen Jahrhunderten. Als Neuheit wurde auf kreatürlich-natürliche Erscheinungen wert gelegt, als sinnbildhafte Bedeutungsträger, dazu konnten Insekten oder Vögel zählen, von ihrer Art genau bestimmbar, diverse Pflanzen und Gewächse am Wegrand, aber auch Gestrüpp in den Mauerritzen, Lichtspiegelungen, Luftblasen auf dem Wasser oder Falten im Gesicht der Protagonisten. So gelang es in den Bildern trotz altbekannter Themen, über viele Generationen tradiert, Neues mit individueller Note auszudrücken. Der gesteigerte Realismus wird in der Forschung als eine Art Gotteserkenntnis in den Erscheinungen der Natur angesehen, Verschlüsselungen für die neue Volksfrömmigkeit, der devotio moderna. Die veränderten Sehgewohnheiten brachten aber nicht weniger gewandelte Machtstrukturen zum Ausdruck vom alteingesessenen Landadel hin zum gut situierten Stadtbürger, der wirtschaftlich und politisch erstarkt sein Lebensumfeld dargestellt wissen wollte. Schließlich bezahlte er die neuen Kunstwerke, bzw stiftete sie als gottgefälliges Werk für die Kirchenausstattung. Neben tradierten Requisiten in den Geburts-, Passions- und Kreuzigungszenen muten allerdings gewisse Details fantastisch an, zeigen aus oben genannten Gründen eine unzeitgemäße oder ortsferne Verzerrung mit Dingen, die man nicht unbedingt dem europäischen Alltag zurechnen würde.

Huizinga zu Frkrch und Burgund: „Höfische Mode war neben Höflichkeit und Etikette, Tanz und Kunst adäquates Ausdrucksmittel extremer Stilisierung hoher Lebenskunst, welche die raue Wirklichkeit in Sphären edler Harmonie erhob[HdM, S. 55]. Buchillustrationen und Tafelbilder scheinen dies zu dokumentieren. Denn die Auftraggeber sassen oft an diesen Höfen. Inwieweit können solche Ergebnisse als Gradmesser zur realen Mode in davon entfernten Regionen dienen? Über das Rheinland verbreitete sich der burgund.-niederländische Kunststil auf das Reichsgebiet, daraus folgert man, dass auch die auf den Bildern dargestellte Mode eher im Westen des Reichs aufgenommen wurde. Der Osten schien andere Orientierungsmuster zu haben, auch wenn z.B. der Meister des Schottenaltars in Wien vor 1470 in seinem Altarretabel durchaus Innovationen der altniederländischen Meister Rogier van der Weyden, Hugo van der Goes und Derik Bouts mit der Vorliebe für zierliche und schlanke Formen umsetzte, wie andere Maler im süddt Raum. Neben der burgundischen Mode wirkte im Osten, bzw Südosten des Reiches seit geraumer Weile ein ungarischer Stil und im Süden traditionell die italienische Mode, nur partiell burgundische Formen übernehmend. Solche Forschungsaussagen werden meist aufgrund der Bilder als Quelle gemacht, die Anzahl erhaltener Kleidungsstücke ist begrenzt. Darsteller für den Adel und das Stadtpatriziat („betuchte Bürger“) werden sich mglw an naturalistischen Porträts solventer Auftraggeber, ausgeführt durch H. Memling oder R. van der Weyden, mit zeitgenössischen Accessoires, erfreuen. Hier ist sicher gestellt, dass die Kleidung zeit- und ortsgemäss ist, denn niemand lässt sich in unmodischer Gewandung am Heimatort porträtieren, ganz im Gegenteil.

Doch was zeigen die Tafelbilder? Welche Mode dokumentiert sich? Vermutlich doch diejenige vom Ort des Produzenten mit seinem persönlichen Umfeld, welches auf das Werk einwirkte (Modell stehen, Einzelobjekte aus dem Atelier, etc) und weniger die Mode am Aufstellort des Tafelbilds. Beides konnte, musste aber nicht identisch sein, das gilt auch für die Mode. Oder woher stammt sonst die Bezeichnung französischeElisabeth“ der sehr gut gekleideten Skulptur in Marburg, wenn sie nicht ein gewisses Betrachterbefremden ausdrückt, was sich wohl auf die Kleidung bezog, denn im Reich stellte man diese Heilige schlichter dar. Schriftquellen betonen nicht selten wie sehr man sich über das Äußere des Nachbarn mokierte. Mode hat regionale Bezüge in Form der „Tracht“, da sie Identität stiftend ist. „Internationalität“ ist vielleicht ein zu modernes Konstrukt. Im SMA konnte der Herstellungsort von Altären und damit der Einfluß des unmittelbar darauf wirkenden Umfeldes hunderte von Kilometern vom Aufstellort entfernt liegen, so gelangte ein flandrischer Schnitzaltar von Mechelen bis nach Danzig. Die grossen vergoldeten, figurenreich geschnitzten Retabel aus Antwerpen waren bis in das XVI. Jh „Exportschlager“ und fanden im Rheinland oder Westfalen Aufstellung, siehe im Kölner Dom, in der Nicolaikirche zu Bielefeld oder das „Goldene Wunder“ in der Petrikirche von Dortmund. Altäre aus Ulmer Werkstätten wurden im XV. Jh in weite Fernen geliefert, so die des Hans Multscher über die Alpen bis ins, durch den Silberabbau reiche, Sterzing/Tirol am Brenner oder die des Jörg Lederers von Kaufbeuren bis jenseits vom Reschen-Paß.[2]

Gegenüber solchen Gedankenspielen ist es dankbar, wenn sich Maler in den Details deutlich vom zeitgenössischen Umfeld entfernten wie bsplw Meister Francke 1430 in seiner „Auferstehung“ [Kunsthalle Hamburg]. Die schlafenden Wächter tragen Rüstungen, welche in künstlerischer Darstellung seit dem XII. Jh eine lange Entwicklung von realistisch schlicht, denn es sind Schergen, zu prunkvoll und vornehm hinter sich haben. Von Meister Francke werden sie in eine „ferne Welt“ überführt mit byzant.-ital.-oriental. Rüstungs- und Kleidungsdetails, die nicht zum norddt. Alltag gehörten, aber zeitbezogen politisch motiviert sind. Beim Zugriff auf diese Quellen sollte der Reenacter mglw Vorsicht bzgl der eigenen Darstellung walten lassen, sonst stellt er nicht einen Gerüsteten des XV. Jhs in Norddeutschland dar, sondern das Bild eines Gerüsteten in der Vorstellung mittelalterlicher Maler oder Bildhauer bezogen auf eine Geschichte, die sich vor eineinhalb Jahrtausenden im östlichen Mittelmeerraum abgespielt hat. Auch macht es nicht unbedingt Sinn sich einen Bienenkorb auf den Kopf zu setzen [Passion Karlsruhe von 1450c], weil Hirtz vielleicht Darstellungen von Haartrachten nach der frühen Mailänder Schule interpretierte, siehe Elfenbeintafeln Ottos I. im Domschatz Magdeburg oder B. Gilduinos Apostel von 1096c in Toulouse, das Kapitell in St. Ambrogio zu Milano 1110c oder den Meister von Cabestany von 1160c in SW-Frkrch. Bastschuhe sind durchaus, vor allem aus dem Osten bekannt.

Nicht immer arbeitete das XV. Jh mit solch drastischen Mitteln. Lukas Moser [Urheberschaft zuweilen angezweifelt] vergegenwärtigte auf dem Altarretabel von Tiefenbronn 1431 die Wunderlegende einer kleinen Reisegruppe, darunter Lazarus und Maria Magdalena, nach Marseille. Die Stadt ist in heidnischer Hand (also „spätantik römisch“ vor der Christianisierung) und die Reisenden finden kein Obdach. Nach der Legende nächtigen sie unter dem Dach eines Heidentempels im Hafenbereich, der bei Moser ausschaut wie die Hafenmole selbst. Nichts an der Szenerie wirkt befremdend, um aber die „Heidenstadt“ auszudrücken bekommt der zeitgenössisch anmutende Kirchturm über dem Fachwerkbau im Hintergrund einen Halbmond aufgepflanzt.

Nach wie vor nehmen Kleiderordnungen einen hohen Stellenwert als Quelle ein. Eine Verordnung aus Straßburg von 1471 schrieb Mägden vor kein Pelzwerk zu tragen und einfache Schürzen von „mißfarbenem“ Stoff. Bunte und farbenfrohe Schürzen durften erst Handwerkgattinnen aufwärts schmücken. Jenen waren einfache Pelzarten erlaubt, teure Sorten von Nerz, Zobel, Otter oder Luchs wurde untersagt. Die Brustausschnitte durften nicht zu gewagt sein. „Hübschlerinnen“, auch „freien Töchter“ oder „Fensterhennen“ genannt, durften Mäntel tragen mit einer Länge drei Finger breit über dem Boden, aber weder mit Seide, noch Feh gefüttert. Goldene Spangen, goldene Gürtel, mit Koralle oder Chalcedon im Wert von 50 (fl) Gulden war ihnen verboten, umgerechnet ein enormer Wert von rd 12.000 Hellern oder zwei kriegstauglichen Rößern (keine normalen Pferde) oder die Entlohung Tilman Riemenschneiders für eine seiner Schnitzarbeiten oder das Jahreseinkommen eines Universitätsprofessors, siehe Ständegesellschaft HMA/SMA. Es sollte der Unterschied zu ehrbaren Frauen gehobener Schichten deutlich aufgezeigt werden, also war es jenen im gewissen Maß erlaubt?! Aber wer war die „ehrbare Frau“? Zum höheren Bürgertum ein paar Zahlen aus der reichen Handelsmetropole Augsburg um 1500: Die Großstadt mit rund 20.000 Einwohnern wies nicht ganz 2% Anteil auf, die mehr als 3000 Gulden und fast 1% Anteil, die mehr als 10.000 fl Vermögen besaßen, also immerhin rund 200 bis 400 Personen.[3] Solch luxuriösen Verhältnisse sind natürlich kaum reichsweit übertragbar. Oben zitierte Straßburger Verordnung wendete sich auch an männliche Jugendliche der höheren Gesellschaft, dass es nur jenen erlaubt sei Wämser zu tragen, die das (seidene) Hemd offen auf der Brust zeigten. Handwerker durften dies nicht, schon mal gar nicht aus Seide, auch nicht aus edlem Tuch, welches man aufgrund der Webart „Scharlach“ nannte. Aber man begehrte auf - Schweizer Bilderchroniken , siehe z.B. Luzerner Schilling von 1513, zeigten weisse Hemden der unteren Schichten. Auch der farbige Vorstoß am Hosenschlitz war nicht allen gestattet, nur fremden Landsknechten in Sold. Es schwand im Laufe des XV. Jhs der Wert von Kleiderordnungen, sofern sie überhaupt jemals sinnvoll gegriffen hatten, dessen war sich die Obrigkeit bewusst, da Mode durch Erlasse nicht zu regulieren war und zu sehr soziales Prestige mit ihr verbunden wurde. Viele Magistrate fanden diesbzgl moderate und gangbare Wege, ohne den Frieden in der Stadt zu gefährden. Andere, wie in Nürnberg mit einem regiden Stadtrat, erfanden perfide Spitzelsysteme, die noch bis weit ins XVI. Jh wirkten.


In Westeuropa sind zahlreiche Illuminationen in Handschriften auf Pergament erhalten. Das Reichsgebiet weist geringere Bestände auf, aber es kommen dort bebilderte Handschriften auf Papier hinzu [siehe Quellen für die erste Hälfte des XV. Jhs]. Deren Bilder, als eine Form der „Gebrauchskunst“, oft mit Feder und lavierendem Pinsel erstellt, zuweilen mit Deckfarben, war in Farbigkeit und Detailfülle nicht mit denen der berühmten Prachthandschriften vergleichbar, da Pergament, also Tierhaut, eine andere Farbigkeit zuläßt und höhere Beständigkeit hat. In den Städten organisierten sich Autoren und Illustratoren und es entstanden überregional bekannte Werkstätten, siehe Diebold Lauber in Hagenau, welcher sich mit der Drucktechnik einen Namen machen sollte. Gedruckt wurde schon seit Jahrhunderten, allerdings Ornamente auf Stoff, um kostbare Webmuster nachzuahmen [Rekonstruktionsbeispiele am Marktstand]. Man benutzte dazu große Holzstempel. Neuartig war der „erzählende“ Holzschnitt, also die bildnerische Darstellung. So wurde die technische Reproduzierbarkeit von Graphik möglich, bereits vor dem Druck der Schrift mit beweglichen Lettern. Das vermehrt in Gebrauch kommende Papier hätte einer grösseren Sorgfalt bedurft, um es für die Nachwelt zu erhalten, so ist anzunehmen, dass ein großer Teil der frühen Drucke verloren ist. Erhaltene Holzschnitte stellen, stärker noch als bei den Federzeichnungen, inhaltlich eine grobe Vereinfachung und Konzentrierung auf das Wesentliche dar. Details, die auf gemalten Abbildungen sichtbar waren, wurden hier weg gelassen. Erst in der zweiten Hälfte des XV. Jhs sollten Kupferstiche und Radierungen höhere Detailfreudigkeit erreichen. Eine interessante Quelle können auch weit verbreitete Spielkarten darstellen, denn hier vollzogen sich ähnliche Entwicklungsschritte vom exklusiven Set zur gedruckten Massenware. In Süddtld wurden für die Karten erstmalig Holzschnitte verwendet, Augsburg wurde ein Zentrum der Herstellung. Selbst bekannte Malerwerkstätten, wie Konrad Witz in Basel, fertigten Motive für diese Gebrauchskunst. Auch Hafner-Ware, wie figurierte Keramik oder Ofenkacheln mit vorgefertigten Motiven aus den Heizanlagen begüterter Häuser, kann u.U. als Quelle herangezogen werden.


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Hl Dorothea“, Rottweil 1450c

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Angesehene Bürgerfamilie des Meisters Herlin, Konstanz 1488 [Tochter m. Spenglin, Details s.u.]

Handwerker „Josef“, Stolzenhain 1490c








2. Mode ab 1450c (höfische u hochbürgerliche Formen):

Heutigen Tages muß alles der niederländischen, welschen Pracht und Unmäßigkeit gleich geschehen“ [zitiert aus GdK, S. 149]

Die Repräsentationsgewandung oberer Schichten, der „gestandenen Herren“ war bei offiziellen Anlässen knie- oder bodenlang. Nur die jüngeren Zeitgenossen und vor allem höfische Szenen mit Pagen zeigten kurze Ober- und Übergewandungen, hierzu konnten in Italien u Frkrch kurze Stoffgürtel getragen werden, die wohl durch ein Bindesystem oder Schnallen auf dem Rücken schlossen. Italien ging einen eigenen Weg und folgte der burg. Mode nur bedingt. Die Houppelande fand als Abwandlung mit der schmaler geschnittenen bodenlangen Zimarra ihren Eingang. Sonderformen waren die Giornata, ein an der Seite offener kurzer faltenreicher Überwurf, gleich einem Tappert oder die kurze geschlossene Geornea. Diese Bekleidung findet man in der Malerei der ital Frührenaissance bei höfischen Jugendlichen und Pagen. Der gestandene Bürger lief damit nicht einher. Seine Kleidung blieb boden-, oder knielang. Neben recht pompösen Kopfbedeckungen des Adels, begnügte sich der Bürger meist mit der „fezartigen“ Kappe. Wichtig war grundsätzlich Stoffqualität und Musterung, denn in beiden Fällen war Italien führend und seine Formen begannen den Weg in und über die Alpen zu finden. Gürtel hatten bei der eng geschlossenen Oberbekleidung keinen hohen Stellenwert, denn sie rafften den Stoff ja nicht und wurden ohne Überlänge meist recht kurz getragen. Ein wichtiges Element des bürgerlichen Bewußtseins war die Kleidung in Stadtfarben, auffällig und expressiv bunt, das betraf die unteren Chargen, das Gefolge der Herren oder Stadtbedienstete, siehe unten „Gürtelformen des einfachen Volkes“.

In unseren Breiten hatten Adel und Stadtadel die Zaddelung der Kleidung, bekannt aus der ersten Hälfte des XV. Jhs, durch Besatz von Pelz ersetzt, wie Ratsherren ihre solchermassen geschmückte Schaube (siehe z.B. Bilder von Baegert). Wichtiger Augenmerk lag auf den Stoffqualitäten, zumindest machte es den Malern Freude entsprechende Qualitäten zu visualisieren oder den Bildhauern durch Faltenwurf Körper und Haltung lebensecht nachzubilden. Der Gesamteindruck veränderte sich, nach eher breiten Formen trat schon vor der Jahrhundertmitte wieder das Schönheitsideal des XIV. Jhs auf, schlank, spitz und eng anliegend. Gegen Ende des Jhs und im XVI. Jh lösten die Einflüße der ital. Rennaissance solche Formen ab, welche nun erneut die Horizontale betonten. Ein Kontrast bietet die Werktagskleidung der niederen Adeligen „Osanna und Jörg von Rosenberg“ auf den Reliefplatten der Burg Boxberg/Main-Tauber-Kreis nach 1493, heute im Landesmuseum Karlsruhe. Anstatt einer aufwändigen Grabplattengewandung tragen beide hier Alltagskleidung. Sie hat eine Feldflasche im Arm und auch er scheint eher zur Feldarbeit, bzw zur Inspektion auf dem Feld, vorbereitet zu sein. Sein Rock ist recht einfach gehalten und reicht bis zum Knie [BLK, S. 120].

Das gehobene Bürgertum, die finanzielle Stütze des burgund. Hofes bis 1477, übernahm einige Modesitten des Adels. Statt den Ärmeln Aufmerksamkeit zu widmen, galt sie nun ausgepolsterten Schulterpartien (Mahoitres) und statt bunten Farben zu Beginn des Jhs waren es zunehmend gedeckte, bis hin zum erhabenen Schwarz, das in die Mode Habsburgs, als „burgundisches Erbe“, einging. Die hochbürgerlich-patrizische Frau trug entweder die Robe mit hoher Taille, knapp unter der Brust geschnürt nach flämisch-burg. Vorbild mit einem sehr breiten kurzen (siehe Stifterin auf Memlings Christopherustriptychon von 1484) oder nach italienischer Mode mit einem schmalen langen Stoffgürtel [MS, S. 152]. Die Schnallen schloßen vorne oder auf dem Rücken. Die Zieren werden schlichtere gewesen sein als in der Welt des Adels, jene oft dargestellt durch „Heilige“ [Margaretha, Barbara, Dorothea, etc]. Die Jugend trug schmale Stoff- oder Ledergürtel, meist kurz ohne erkennbare Zunge, manchmal mit geringer Überlänge, die jüngste der drei Marien Wolgemuts von c1499 stellt einen beschlagenen schmalen Riemen deutlich zur Schau, es wird jene immer recht vorteilhaft dargestellte adelige „Maria Magdalena“ sein. Genutzt wurden daneben nach wie vor Bindegurte aus Stoff, nicht nur bei Darstellungen der „Hl. Elisabeth“! Auch Stoff-Metall-Kombinationen fanden sich bei Damen der adeligen und hochbürgerlichen Gesellschaft [umgangssprachlich „Kettengürtel“ - Vollmetallgürtel, wie bei den Männern, z.B. auf Dreikönigs-Tafeln abgebildet, gelangten aber in dieser Zeit noch nicht in die Frauenmode und sind zumeist erst im XVI. Jh mit filigranen Ausfertigungen in die weibliche Sphäre übernommen worden]. Frauen gehobener Schichten bevorzugten bis dahin Stoff-Metall-Kombination mit Scharnierkonstruktion und/oder kurzen Kettenstücken und Anhängern als „Zungenteil“. Beschläge sind beim hohen Bürgertum [Patrizierinnen, Stadtadel] auf Abbildungen nachweisbar (Gold, vergoldet), bei den Gattinnen der Zunftmeister angesehener Gewerbe eher durch Testamente zu belegen (Silber).






3. Gürtelrekonstruktionen zur Darstellung gehobener Schichten (A-C)

für Bürger mit Eintrag in die Bürgerrolle, höherem Steueraufkommen und Grundbesitz in der Stadt, die man dem Patriziat zurechnen würde und Amtsleute in gehobenen Positionen (A), ratsfähige Fern- und Großkaufleute, Zunftmeister exklusiver Gewerke und gehobenen Dienstmannen (B) sowie Funktionsgehilfen (C). Alle Objekte können durch Oberflächenvergütung hohen Darstellungen gerecht werden, Veredelung in Gold und Silber möglich, doch exquisite höfische oder hochadelige Formen werden auf dieser Seite nicht gezeigt, zu den Kategorien A-C siehe Ständegesellschaft HMA/SMA.

Spenglin waren in der Kategorie „A“ üblich, in „B“ möglich, in „C“ als schlichte Dornlochösen in begrenzter Stückzahl. Als Gürtelabschluß für „A“ und „B“ gegossene Zungen und verzierte Halbmonde, manchmal mit Ösen zum Einhängen von kurzen Kettenstücken, für „C“ eher schlichte Formen, reine Halbmonde oder einfache Ortbleche.

Demi ceint mit etwas grösserem Medaillonbeschlag zweite Hälfte XV. Jh in der Frauenmode (A), siehe Abb. „Die Sinne“ aus Paris oben, umgangssprachlich „Kettengürtel“, wurden bislang einige erstellt, tauchen aber auf diesen Seiten nicht auf, da seltene Einzelstücke, bitte spezielles Angebot anfordern. Auch die gehobene Männerwelt nutzte den demi ceint mit kurzer Abschluss- oder Verbindungskette, dafür sind Ortabschlüsse mit Ösen geeignet.

(A)

B




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OBERSCHICHT und obere MITTELSCHICHT

Stoffgürtel in edlen Varianten sollten monochrome Samt- oder Atlasbindungen nachahmen [Fi, S.448 u DressLo, S. 48]. Der Adel verwendete als Beschläge aufwändige Formen mit durchbrochenen Zierblechen. In der Regel wurden diese Kombinationen von Frauen getragen. Auf der berühmten „Anbetung“ zur Kathedrale St. Bavo/Gent der Brüder van Eyck von 1432 gibt es allerdings einen männlichen Träger. Auch das „Mauritiusschwert“ hatte diese breite Form als Gurtschließe.

Die Gürtelformen im burgundischen Stil hielten sich bis in die ersten Jahrzehnte des XVI. Jhs, wurde teilweise auf dem Rücken geschlossen, um dem Stoffband mehr Geltung zu verleihen.

[provisorisch an ein Stück Leder gefügt, im Original wäre Stoff zu erwarten]

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XV_500a_me

50 mm Breite für einen gewebten Stoffgütel

Hohe Bogenschnalle mit Dreipaß- und Ortblech, Lochspenglin „7029“ optional, Veredelung in Gold oder Silber möglich

(A)

B


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OBERSCHICHT und obere MITTELSCHICHT

Motive wie der schreitende Löwe fanden sich als Keramikware (Kacheln, Fliesen) im zunehmenden Maß auch in den gehobenen bürgerlichen Haushalten und waren kein Vorrecht des Adels mehr. Schnalle könnte in vergoldeter Ausführung „A“ zugeordnet werden, für den Hoch-Bürger „B“ eher silberfarben.

rechts aussen: Burgundischer Ort mit Feuerstahl und Funkenschlag, das Emblem Karls des Kühnen, Direktabguß von einem Fundstück.

[Veredelung in Gold mgl]

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XV_185ab_vs

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle mit Motivbeschlag

und verzierter „Halbmond“-Ort 3,5 x 3 cm

montiert 149,00 EUR vs

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XV_185f_vs

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle mit Motivbeschlag

und Burgunder-Ort 5 x 3 cm

montiert 149,00 EUR vs

(A)

B


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OBERSCHICHT und obere MITTELSCHICHT





Motivschnallen könnten in vergoldeter Ausführung „A“ zugeordnet werden, für den Hoch-Bürger „B“ eher silberfarben.

[Veredelung in Gold mgl]

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XV_185a_vs

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle mit Motivbeschlag

und Senkel 4 x 2,5 cm

montiert 149,00 EUR vs

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XV_180a_vs

20 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Zierschnalle mit Motivbeschlag [Detailbild quer]

und Senkel 3 x 2 cm

montiert 129,00 EUR vs

B


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obere MITTELSCHICHT

kl. eckige o ausschwingende Schnallen an Frauengürteln in Salzburg 1430c, Brixen 1470, hier Konstanz 1488 [Abb. mit Spenglin - Fam. des angesehenen Meisters F. Herlin, der 1466 den Hochaltar von Rothenburg o.d.T. schuf und 1467 das Nördlinger Bürgerrecht erwarb]

Der Senkel nach neuer ital. Mode hat seinen Weg über die Alpen gefunden, wie viele andere Dinge aus den machtvollen ital. Stadtrepubliken, mit denen schwunghafter Handel betrieben wurde.

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XV_167ff_me

17 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle mit Motivbeschlag

und Senkel 3,5 x 1,5 cm

montiert 110,00 EUR

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XV_145gff_me

17 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle mit Motivbeschlag

und Senkel 3,5 x 1,5 cm

montiert 110,00 EUR


Die letzten ihrer Art“ mit Motivblechen als Alternativ-Formen bis Bestand abverkauft - bei Interesse bitte melden - Zungen werden ergänzt:

A

B

XV_292g_me oder vs

XV_135g_me oder vs

XV_152g_me oder vs [Riemenbreite 13 mm]

A

B

XV_145f_me oder vs [Sonderpreis me !]

XV_165f_me oder vs [Sonderpreis me !]

XV_165c_me oder vs [Riemenbreite 17 mm]

A

B

XV_010f_me oder vs [Sonderpreis me !]

XV_181g_me oder vs

XV_010g_me oder vs [Riemenbreite 17 mm]

B


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obere MITTELSCHICHT



Grosse runde Schnallen kamen in der ersten Hälfte des XV. Jhs auf und hielten sich als „bürgerliche Variante“ bis in das XVI. Jahrhundert. An Männergürteln gehobener Schichten häufig im künstl. Schaffen D. Baegerts z.B. in Kalkar „Hl Sippe“ 1493v, „edler Jakobus“ 1503, „Schöffen“ Wesel 1494, Italien o. Ort 1503 und „Hptm“ von G_David Brügge 1515

Quelle Schnalle: Ross Whitehead

auf Abbildungen wurden sie oft hell glänzend dargestellt, Veredelung in Silber mgl

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XV_206ab_me

35 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Ringschnalle mit Muster und geschweiftem Blech

und verzierter „Halbmond“-Ort 3,5 x 3 cm

montiert 129,00 EUR

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XV_206b_me

35 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Ringschnalle mit Muster und geschweiftem Blech

und Senkel mit Öse 3,5 x 3 cm

- {ersetzen} -

[Verbindungskette für demi ceint möglich]

B


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obere MITTELSCHICHT -

Bogenschnallen siehe Hortfunde aus London 1440c, „Koenig“ auf „Dreikönigsaltar“ 1455 MünchenAO, „Hl Georg“ von H. Multscher in Sterzing vor 1460, „Josef v Arimathea“ auf „Hofer Altar“ 1465

Vorläufer waren vermutlich grössere Leierschnallen (siehe Buchill. am Hof Karl VII 1461n), denn der Dornrastbereich war ähnlich leicht eingezogen.

Deutlich größerer Durchlaßbreiten zeigten die „Hohen Bogenschnallen“ für Houppelandegürtel.

[Veredelung in Silber mgl]

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XV_210ab_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Bogenschnalle mit geschweiftem Blech

und verzierter „Halbmond“-Ort 3,5 x 3 cm

montiert 129,00 EUR

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XV_210af_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Bogenschnalle mit geschweiftem Blech

und Burgunder-Ort 5 x 3 cm

montiert 129,00 EUR

B

(C)


-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT

Doppeloval mit Riefen ab Mitte XV. Jh bis weit ins XVI. Jh. Mit Blechbefestigung, um Senkel/Ort problemlos durch die Schnalle zu führen.

rechts: Burgundischer Senkel aus den Niederen Landen nach einem Flußfund aus der Schelde Anf. XV. Jh.

rechts aussen: Burgundischer Ort mit Feuerstahl und Funkenschlag, das Emblem Karls des Kühnen, Direktabguß von einem Fundstück.

-

XV_216a_vs oder me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle (ca ab 1440er Jahre)_vs

und Senkel 4 x 2,5 cm vs

montiert 129,00 EUR vs / 110,00 EUR me [Detailbild]

-

XV_216f_vs oder me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle (ca ab 1440er Jahre)_vs

und Burgunder-Ort 5 x 3 cm

montiert 129,00 EUR / 110,00 EUR me

B

(C)


-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT



Doppeloval mit Riefen ab Mitte XV. Jh bis weit ins XVI. Jh. Mit Blechbefestigung sinnvoll, um Senkel/Ort problemlos durch die Schnalle zu führen.

[Variante in me für „C“ siehe Detailbild]

-

XV_216c_vs [nur noch ohne Ring lieferbar !]

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle Doppeloval_vs

und „Halbmondort“ ohne Ring 2,5 x 2,5 cm

montiert 129,00 EUR vs / 110,00 EUR me [Detailbild]

-

XV_216b_vs oder me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle Doppeloval_vs

und „Halbmondort“ 2,5 x 2 cm

montiert 119,00 EUR vs / 99,00 EUR me [Detailbild]

B

(C)


-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT

-

-gr. eckige Doppelschnallen an Männergürteln siehe „Kg Bathasar“ südl. NL 1470c, auf der Tumba in Lorch 1475, zwei Schöffen auf dem Eid Baegerts in Wesel 1494, „Johannes“ Xanten 1515, „Centurio“ Altar Ulm-Zwiefalten 1522, „Centurio“ Stuttgart 1525

gr. eckige Doppelschnallen an Frauengürteln siehe „Elisabeth“ 1470c, „Verena“ Rottweil 1470c, „Jungfrauen“ Bern Anf XVI. Jh

-

XV_222a_vs oder me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle Riefen mit geschweiftem Beschlag

und Senkel 4 x 2,5 cm

montiert 129,00 EUR vs / 110,00 EUR me [Detailbild]

--

XV_222d_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle Riefen mit geschweiftem Beschlag

und Ortblech 1,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR me

(B)

C




-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT





eckige Doppelschnallen an Frauengürteln siehe „Katharina“ und „Ursula“ Biberach-Rottweil 1460c, „Madonna“ Brixen 1470, Fam Herlin Nördlingen 1488, westf. „Barbara“ Bochum 1499c, „Weihnachtsaltar“ Wien 1499c, „Anna Selbdritt“ Schluderns Anf XVI. Jh



[Veredelung in Silber für „B“ mgl]




XV_097a_me mit Abschlusskette

20 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

- Abb Kundenborte -

Doppel schlicht und Senkel 3 x 2 cm



XV_097a_me mit Abschlusskette

Lochspenglin „Nr.7038“ optional

(B)

C




-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT









[Veredelung in Silber für „B“ mgl]




XV_098a_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

- Abb Kundenborte -

Doppel Riefen und Senkel 3 x 2 cm

- Wert abhängig vom Trägermaterial -

-

XV_098a_me

Lochspenglin „Nr.7038“ u Strecker „Nr. 7116“ optional

(B)

C

-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT

Ort mit Öse aus der Zeit der Schwert-Schleppriemen. Manchmal sieht man Ringe (Abb) oder kurze Kettenstücke in den Ösen. Sie werden bei den Bindesystemen der Schwertgurte in der 2. Hälfte des XV. Jhs nicht mehr benötigt und können zum Schmuckelement degenerieren.

Prag 1380, Darmstadt 1445c, Hofer Altar 1465 [Abb], Meister d Marienlebens Pina_München 1480, Aachen 1485c, Kaisheimer Altar 1502, Sebastiansaltar 1516



XV_470bb_me

20 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Ort mit Ringöse 2 x 1,7 cm

montiert 110,00 EUR

schlichte Lochspenglin optional

[Veredelung in Silber mgl]



XV_251bc_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech

und Senkel mit Öse 2,5 x 1,5 cm

montiert 99,00 EUR

Lochspenglin „Nr.7001“ optional

(B)

C


-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT



Links: Doppeloval stufig ab Mitte XV. Jh bis weit ins XVI. Jh. Als Einzelschnalle beim bekannten Churburg-Gürtel, den Fingerlin (KatNr. 65) in die 2. Hälfte XV. Jh datiert, desweiteren siehe „Joseph u Potiphars Weib“ heute Pina München 1495c, aber auch als Rüstschnalle an Gewappnetem auf Pleydenwurffs Kalvarienberg von 1465c PinaAO

[Veredelung in Silber für „B“ mgl]

-

XV_218c_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval mit Blech gross

und „Halbmondort“ 2 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

-

XV_216c_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech gross

und „Halbmondort“ 2 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

B

C




-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT



Schnallenblechgravur nach einem Fund aus Pierrefonds zweite Hälfte des XV. Jhs und nach einem Fragment aus der Schelde.

rechts aussen: „Halbmondort“ häufiger Gürtelabschluß in unterschiedlichen Größen und Ausführungen an Taschen und Gürteln im XV. Jh.

versilbert für „B“ / me für „C“

-

XV_256ca_vs

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Zierbeschlag

und Senkel „Zier“ 4,3 x 1,1 cm

montiert 129,00 EUR

[Detailbild Spenglin „Nr. 7038“ optional]

-

XV_255cc_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Zierbeschlag

und kl. „Halbmondort“ 1 x 1,5 cm

montiert 110,00 EUR

B

C


-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT

Dresden 1475-80

Wirtshaus-, bzw „Huebschlerinnen-Szene“ (?) mit beschlagenen Gürteln

XV_255ca: Detailbild mit Spenglin „Nr. 7010“

-

XV_255ca_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Zierbeschlag

und Senkel „Zier“ 4,3 x 1,1 cm

montiert 110,00 EUR

-

XV_281aa_me

20 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle Zier

und Senkel 3 x 2 cm

montiert 110,00 EUR

B

C

-

obere MITTELSCHICHT und MITTELSCHICHT

-

kl. doppeltrapezförmige Schnallen

in ausgeschwungener Form an Frauengürteln in Salzburg 1430c, Brixen 1470, hier Konstanz 1488 [Abb. mit Spenglin - Fam. des angesehenen Meisters F. Herlin, der 1466 den Hochaltar von Rothenburg o.d.T. schuf und 1467 das Nördlinger Bürgerrecht erwarb]

-

XV_270fb_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeltrapez ausgeschwungen mit Blech

und Senkel 8,5 x 1 cm

montiert 110,00 EUR

-

XV_204cb_zi [Abb] oder me_ws

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval geschwungen mit Blech eis ws

und Ort mit Öse 1,5 x 1,5 cm

montiert 99,00 EUR

[Detailbild mit schlichtem Beutelhalter optional]

C


-

MITTELSCHICHT

Blechbefestigung sinnvoll, um Senkel/Ort problemlos durch die Schnalle zu führen, ein Annähen der Schnalle verengt den Durchlaß.

-

XV_251fe_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech

und Senkel 4 x 1,5 cm

montiert 99,00 EUR

-

XV_261fe_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppel länglich ausgezogen mit Blech

und Senkel 4 x 1,5 cm

montiert 99,00 EUR




Archäologische Objekte weisen im guten Fundzustand häufig Schnallenbleche auf. Abbildungen zeigen sie, wenn erkennbar, gerade noch an den Kanten (s.o.), oft aber verdeckt der Riemen das Blech, im Gegensatz zu vorhergegangenen Jahrhunderten, wo das Zungenende meist „lose aus der Schnalle fiel“. Nun werden Doppelschnallen oder auch Riemenschieber verwendet, welche das Zungenende des Gurtes zur Seite führen. Ein paar Abbildungsbeispiele seien mit großer Streuung genannt: Retabel des ConradvSoest in Wildungen 1403, Lüneburg 1447, Regler Altar Erfurt 1460, V. Stoss in Krakau 1477-89, „St Barbara“ aus Suedfrkch (heute im Bergbau Mus Bochum) 1499c, „St Jakobus“ in St Mihiel Anf XVI, „Jos u Potiphars Weib“ Pina 1500, H_Holbein d Ae Kaisheimer Altar 1502, „Maria“ in Klosterneuburg 1510-15, „Johannes d Evangelist“ Xanten 1515c, H. Holbein d Ae Sebastiansaltar 1516, B. Strigel „Kinder Rehlingers“ 1517 oder „Jakobgeschichte“ Brüssel 1534. Daneben wurden auch Schnallen mit gegossenen Befestigungen verwendet, siehe z.B. „Magdalena“ auf Kreuzigung in Salzburg 1470, Tafelbild von Wolgemut i d Frauenkirche Nürnberg von1490c oder „Pilger“ auf Ospedale dei Ceppo 1528 uvam. Schaut man sich verschiedene Senkelformen an, können sie nur an Gürteln mit Schnallenblechen befestigt worden sein, ein An-, bzw Umnähen des Riemens verengt den Durchlaß des Schnallenrahmens. Viele Reenacter kennen das Problem passende Senkel zu finden, wenn die Schnalle angenäht oder nur mit einem Niet befestigt wurde, diese Änderungsarbeiten werden am Marktstand oft ausgeführt...deshalb und aus dem Selbstverständnis als „Gürtler“ werden Bleche verwendet, bei gehobenen Darstellungen mit Motiven und Verzierungen. Gürtelvarianten unterer Schichten hatten die Schnallen allerdings oft nur angenäht, was auch heutzutage ausserhalb sozialer Zuordnungen in Spezialfällen Sinn macht (z.B. auf der Rüstung).






4a. Gürtelformen des einfachen Volkes


Gürtelformen des einfachen Volkes ab 1450c:

Die Übergewandung einfacher Schichten reichte zunächst auch in der 2. Hälfte des XV. Jhs noch bis zum Knie, vor allem bei Bauern und Handwerkern, im Gegensatz zum gehobenen Besitzbürger mit seinem langen Gewand. Bei Knechten/Kriegsknechten begann sich die Kleidung allmählich einzukürzen. Der „Rock“ reichte bald nur noch bis zum Oberschenkel. So war auch der Gürtel kurz und ähnelte einem modernen „Jeansgürtel“, tatsächlich mit dem noch heute üblichen Riemenschieber! Das Obergewand von Handwerkern, figurbetonter als in der ersten Hälfte des Jhs, war grundsätzlich geschlossen, im Gegensatz zum Knecht oder Gesellen, der Wams, Unterhemd aus Leinen oder im Extremfall sogar die Unterhose zeigte, also aufgrund körperlicher Arbeit nicht unbedingt ein Übergewand trug - und „Geißeln“ ist ganz schön anstrengend. Frankfurt/Main 1469: „Wenn Gesellen barfuß und ohne Hosen zur Messe oder woanders hin auf Anordnung der Bruderschaft gehen, müssen sie Wachs geben, es sei denn, dass einer keine Hosen oder Hosenbeine hat“. Zum Ende des Jhs begannen auch Jugendliche der „guten Gesellschaft“ das Hemd zu zeigen, aber selbstverständlich aus Seide. Anfangs war das Wams nur am Ellenbogen aufgeschnitten, es folgten bald Teile des Ärmels, die man zum Schließen schnürte. Der neue Stil mutet expressiv an mit knappen „offenen“ Wämsern, bei den Knechten mit Leinenhemd und eng sitzenden bunt gestreiften Hosen in waghalsigen Farbkombinationen, siehe Schergen auf dem „Oppenheimer Altarretabel“ von 1490c im Dommuseum Mainz oder auf dem „Rochus-Sebastianaltar“ von St. Lorenz in Nürnberg von 1499 (vor Ort auch Holzskulpturen mit „bunten Hosen“). Scheinbar wurden eher „Negativgestalten“ bunt dargestellt, gesellschaftlich verankertes miparti überschreitend. Anfänge hatte dies in den Stadtrepubliken Italiens genommen mit heraldischem Hintergrund. Kleidungsfarben besaßen hohen Aussagewert. Die Träger roter Kleidungsstücke entstammten nicht mehr ausschließlich gehobener Schichten, es wies aber darauf hin. 1474 war das Rheingauer Kontingent zum Aufgebot des Reichsheeres bei der Belagerung von Remagen ganz in Rot gekleidet, die Farbe ihres Herrn, des Mainzer Erzbischofs.[4]

Zusammen mit dem geschlitzten Zeug setzten sich diverse Modeallüren in den ersten Jahrzehnten des XVI. Jhs fort. Sebastian Brant spottete 1494: „...denn alle Kleider sind voll Falten: / So Rock wie Mantel, Hemd wie Schuh, / Pantoffel, Stiefel, Hos´dazu, / Wildschur und die Verbrämung dran. / Der Juden Sitt´ man sehen kann....Der Rock – wie kurz und wie beschnitten ! / reicht kaum bis zu des Leibes Mitten“. Allerdings scheint die Zeit um 1500 überhaupt von einer expressiven Ausdrucksweise geprägt zu sein, schaut man sich bunt bemalte Rüstungsteile an oder eigenartige „maximilianische“ Schürzen, Verblendungen und Schreckmasken. Sie sind ein typisches Renaissanceprodukt, lassen sich in der ital. Malerei der 2. Hälfte des XV. Jhs nachweisen, siehe bsplw D. Ghirlandaio „Brutus-Scaevola-Camillusin Florenz von 1483c und gehen auf römische bzw italisch-griechische Anleihen zurück. Schreckmaske auf Schilden fanden Einzug nördlich der Alpen, siehe bebilderte Richental-Chronik von 1464. Wie sehr ital. Künstler die Eindrücke aufnahmen, die ihnen antike Relikte wie Sarkophage oder Triumphbögen vermittelten, mag man daran ablesen, dass bsplw der Florentiner Bildhauer Donatello seinen „Hl Georg1417c wohl in römischer Rüstung, aber mit keltischem Schild ausstattete, mglw weil er diese Schildform auf röm Hinterlassenschaften gesehen hatte, nicht ahnend, dass ein „Beutestück“ dargestellt worden war? Diese ungewöhnliche Form gefiel auch Andrea Mantegna mit Anleihe beim geachteten Künstlerkollegen und versah seine Römer 1453-56 auf der „Hinrichtung des Jakobusin Padua ebenfalls damit.


Waffengurte sind von Leibgürteln zu scheiden, fielen vor allem bei Langschwertern der Oberschicht meist recht schmal aus und hatten weniger als Daumenbreite. Ähnlich zum FMA (VII. Jh) lassen sich Schleppriemensysteme für den Berittenen erkennen. Zu Beginn des Jhs waren Waffengurte noch relativ breit, wurden aber in den folgenden Jahrzehnten immer schmaler. Denn die gebundenen Haltekonstruktionen an der Scheide forderten einen schmalen Riemen, auch bei unteren Chargen möglich, aber nicht die Regel. Es gibt aus der 2. Hälfte XV. Jh Abbildungen von Kurzschwertern, Dolchen und einschneidigen Klingen („lange Messer“) an breiten Waffengurten. Sie könnten als „Allrounder“ gedient haben, mit Tasche und alltäglichen Nutzgegenständen behangen (Beispiele unterschiedlicher Breite auf einem gemeinsamen Altarbild siehe rechter Flügel Marienaltar“ Salzburg von 1485c oder Hochaltar im Kloster Blaubeuren von 1494c). Das Verhältnis der Abbildungen schmaler und breiter Waffengurte einfacher Schichten zwischen „1450-1520“ beträgt ca. 2 : 1, mit einer deutlichen Zunahme breiter Gurte gegen Jahrhundertwende. Der adelige Schwertriemen dieser Zeit blieb in der Regel unter Daumenbreite.

Darstellungen aus dem Volk vermitteln eine schlichte Gürtelmode. Der kurze einfache Alltags-Männergürtel (Handwerker, Schergen, Kriegs-Knechte) von Daumenbreite bis zwei, fast drei Finger breit (!) auf Wams oder Schecke trug die Tasche, manchmal den Dolch. Das Verhältnis von schmal zu breit der einfachen Männerleibgürtel zwischen 1450-1520 beträgt ca. 1 : 4. Der breite Leibgurt überwiegt eindeutig, Quellen nach als „mannes taschin gortelbezeichnet. Fingerlin behauptete noch 1970 die Gürtel seien meistens schwarz [Fi, S. 220], doch läßt sich das nicht halten und Tafelbilder zeigen alle Farbvarianten, von fast weisslichen hellen Braun-, zu dunklen Braun-, Rotbraun- und Schwarztönen. Rot ist selten, aber nachweisbar, wie der Hl Petrus“ von N. Weckmann urspl Ehingen, Rottweil_AO vor 1520. Warum archäologische Funde meist schwarz sind, wird auf der ersten Seite unten mit Infos zur Lederfarbe erläutert. Erhaltene Gürtel aus militärischem Kontext zeigen schlichte runde und eckige Schnallenformen, sofern erkennbar, meist angenäht und ohne Blechbefestigung, wenn auf der Rüstung getragen, statt Senkel meistens eher schlichte Ortbleche oder der berühmte Halbmond.

Schottenstift, Wien um 1470 mit eckiger Schnalle und Blech an schmalem Schwertriemen. Hier ist der Schwertträger aufgrund der Kleidung von hohem gesellschaftlichen Rang.

Quadratische Schnallen mit unverzierten Blechen an Schwertriemen siehe Memlings „Hl. Georg“ Pina MünchenAO 1490, „Hl,.Rochus“ Nürnberg 1490v, Grab Heinr Allbergers in St Jakob/Regensburg 1520


Da viele Reenacter der 2. Hälfte des XV. Jhs militärische Darstellungen bevorzugen, wäre nach Quellenlage der „kurz-breite“ Gurt für die Tasche, dem gegenüber für das lange Messer ein „kurz-schmaler“ Riemen zu empfehlen [Überlänge für mögliche Schleppriemenkonstruktion]. Zur Zunge zeigen sich keine Überlängen, eher werden Riemenschieber verwendet. Eine Sonderform ist der Schulterriemen für die Waffe, der länger ausfällt und eine andere Dornlochung erfordert. Ansonsten lassen sich Überlängen bei höfischen Szenen [Beispiele siehe auf der Seite 1400-1450] nachweisen und bei Kindern, bzw Jugendlichen (!). Deren Gürtel sind oft recht lang, mit dem Zungenteil zur Seite geschlungen, siehe „Darmstädter Passion“ von 1445 oder eine Abb. von 1460-70 aus Wien und die Ministranten auf einem Tafelbild urspl St. Peter Kirche Partenheim/Hessen heute im LM Mainz von 1500c. Die Länge kann zwei Gründe haben, entweder die Kleinen trugen Gürtel älterer Geschwister auf oder ihnen wurden Gürtel angefertigt, die auch für einen Heranwachsenden tauglich sein sollten?

Kriegsknechte und Schergen werden u.a. durch „Geißler“ und „Wächter“ bei der Gefangennahme Jesu und Vorführung vor der Obrigkeit oder durch die „Würfler“ auf den Kalvarienbergen thematisiert, aber in spezieller politisch-historisierender Darstellungsform, auch die prunkvoll gekleideten von Jan Polack auf dem Altar der Franziskanerkirche, München 1492 [BNM] sind eher selten. Für schlichte Darstellungen geben die auf den Tafelbildern häufiger erscheinenden Hirten oft eine bessere Orientierung ab, weil ihre Kleidung und Ausrüstung stärker regionale Bezüge aufweist. Die Zeichnungen und Stiche des Wolfegger Hausbuchs 1480c thematisieren vielfach höfische Szenen, aber auch Kriegsvolk, Handwerker, bzw Zuträger mit Darstellung der einfachen Bevölkerung bei ihrer Tätigkeit, so auf den Planetenbildern, wie bei Monatsbildern der Kalender üblich. Im SMA gingen Bauern nicht in „Sack und Asche“, sie waren oft Pächter der Grundstücke, teilweise mit Erbpacht, also frei und keine Hörige mehr. Sie leisteten ihre Abgaben, wirtschafteten aber vollkommen selbständig. Die Anzahl von Abbildungen mit Gürtelbeschlägen aus der 2. Hälfte des XV. Jhs nimmt gegenüber der 1. Hälfte extrem ab. Es zeigen sich zuweilen noch blütenförmige oder recht einfache Dornlochösen, aber die meisten Gürtel unterer Chargen weisen keine Zier auf und oft auch keinen Ort. Der Höhepunkt der metallreichen Gürtel lag im XIV. Jh und in den frühen Jahrzehnten des XV. Jahrhunderts.

Frauen unterer Schichten trugen den Gürtel aus Leder oder Stoff in der Taille oder lose auf der Hüfte, die Jugend recht schmale Ausführungen. Auch reine Bindegurte aus Stoff waren häufig, mit denen eine Schürze gerafft werden konnte, wenn die Schürzenbindung im Haushalt nicht selbst die Funktion eines Gürtels erfüllte. Mit anderen Worten alle Breiten und Längen, alle Materialien, sind belegbar, abhängig wohl eher vom Nutz- und weniger vom Zierwert. Es gab auch Sondervarianten ohne Schnallen, die durch ein Bindesystem mit Nestelspitzen schlossen. Als Quellen für die Alltagskleidung mögen die zahlreichen Bilder aus den Marienleben“ dienen, in denen Hauspersonal und Mägde dargestellt werden. Eine Festtagskleidung kam in den Tempelgängen“ Marias und ihrer Angehörigen, denn das sind besondere Tage im Leben der Protagonisten, zum Ausdruck. Beschläge finden sich auf Frauengürteln unterer Schichten in der 2. Hälfte des XV. Jhs selten, denn das stand eher begüterten hochbürgerlichen Frauen zu. Im Laufe des XVI. Jhs tauchen sie bei den Damen der bäuerlichen Grundbesitzerschicht auf, die zu Wohlstand gekommen war. Einzigartig auffällig für das XV. Jh sind beschlagene Gürtel von „Hübschlerinnen“ oha (!) und Wirtsdamen“, die erfolgreiche Gewerbe betrieben, siehe oben Bspl aus Dresden von 1475-80.


4b. Gürtelrekonstruktionen zur Darstellung des einfachen Volkes 1450-1520 (D-E)

gedacht für einfache Handwerker und Krämer (D), Knechte, Bauern, Gesellen, Gesinde, Mägde (E), im Detail siehe: Ständegesellschaft HMA/SMA.

Befestigung mit Schnallenblechen an Männergürteln als aufwändige Variante, ansonsten Schnalle angenäht. Eine Zunge, Halbmondort oder Ortblech findet sich zuweilen, war aber nicht zwingend, oft hingen die Gürtelenden frei. Manchmal drei, vier schlichte Lochösen im Dornlochbereich, bei Gesinde und Mägden Abbildung nach zu urteilen eher nicht, hängt aber vom Dienstverhältnis/Haushalt ab. Auf „Festtagsgürteln“ der Handwerkerfrauen Spenglin als Dornlochösen und einfache Blütenformen vielleicht möglich?

D


-

untere MITTELSCHICHT

grosse runde Schnallen an schlichten Männergürteln häufig im künstl. Schaffen D. Baegerts, siehe „Marientod“ 1470c, „Josef“ 1475-80 und „Passion“ 1485c Münster_AO, „Johannes“ Dortmund 1476 „Josef“ Stolzenhain 1490c (Abb), „schlichter Jakobus“ Münster 1495, auch Scherge auf der Passion von M. Reichlich in München_AO 1506, urspl Brixen

-

Variante XV_208d mit Dornlochringösen

35 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Ringschnalle_zi angenäht

und Ortblech 3,5 x 3 cm_ws (siehe rechts)

- {ersetzen} -

inkl Dornlochösenringe

-









und Ortblech 3,5 x 3 cm eis_ws

Ringschnalle angenäht oder mit zwei Ziernieten befestigt, wie nach Fund aus Köge/Seeland

D


-

untere MITTELSCHICHT





Bogenschnallen auf der „Passion“ Darmstadt 1450, ähnl. „Marienaltar“ Salzburg 1485c, „Simon“ von Multscher in der Pfarrkirche Sterzing Ende XV und „Juppe Altar“ Marburg 1512c

in vs für B und C

-

XV_210d_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Bogenschnalle mit geschweiftem Blech

und gr. Ortblech 2,5 x 3 cm

montiert 129,00 EUR

-

XV_210e_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Bogenschnalle mit geschweiftem Blech

und „Halbmondort“ 2 x 3 cm

montiert 110,00 EUR

D


-

untere MITTELSCHICHT

Häufig „Halbmond“-Ort, hier „Josef“ auf Regler Altar urspl Erfurt, Pina MünchenAO

siehe auch in Wildungen 1403, Nottuln 1410c, Eichstätt 1415c u 1445c, Nürnberg 1437,1440 u 1460, Klosterneuburg 1439v, Laufen 1445c, Lüneburg 1447v, Darmstadt 1450, Aachen 1450n, Erfurt 1460, Hof 1465, Znaim 1444v, St. Florian 1485, Millstatt 1495, St. Mihiel 1500n, Brixen 1500, uvm


-

XV_216b_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech gross

und „Halbmondort“ 1,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

-

XV_218b_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval stufig mit Blech gross

und „Halbmondort“ 1,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

[auf dem Bild provisorisch an ein Stück Leder gefügt]

D


-

untere MITTELSCHICHT



Doppelschnalle stufig XV./XVI. Jh

-

XV_216d_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech gross

und Ortblech 1,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

-

XV_218d_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval stufig mit Blech gross

und Ortblech 1,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

D


-

untere MITTELSCHICHT

-

Doppeloval ab Mitte XV. Jh bis weit ins XVI. Jh

--

siehe Kreuzigung des „Schottstiftaltars“ Wien 1470c, Dürers „Paumgartener Altar“ 1498-1504, Holbeins „Kaisheimer Altar“ heute MünchenAO 1502, schlichter Johannes auf dem „Bartholomäusaltar“ heute MünchenAO 1505c

-

XV_216d_me ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech, rustikal verzinnt

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 139,00 EUR

-

XV_218d_me ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval stufig mit Blech, rustikal verzinnt

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 139,00 EUR

D


-

untere MITTELSCHICHT

Typ Doppeloval mit Blechbefestigung sinnvoll, um Senkel/Ort problemlos durch die Schnalle zu führen.

siehe bei St_Lochner Köln, bzw heute DarmstadtAO 1447, Scherge auf „Passion“ München 1444-45, auf dem Bild von Reymerswaele in MünchenAO 1538 oder Brueghels „Bauernhochzeit“ Ende XVI. Jh

-

XV_250ca_me

15 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen mit Blech klein

und kl. „Halbmondort“ 1 x 1,5 cm

montiert 99,00 EUR

-

XV_103_ws

20 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Schnalle Zinn, Beschlag und Ortblech eis_ws

- {ersetzen} -

[Ort Eisenblech mit Weißmetallüberzug]

E


-

schlichte Formen


mit angenähten Schnallen ohne Blechbefestigung




Einfache D-Form mit ausgeprägter Dornachse, meist stufig, manchmal mit Riefen, nach Abbildungen die häufigste Schnallenvariante für Gürtel im XV. bis weit in das XVI. Jh.

-

XV_212b_me oder me ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

D-Riefen angenäht

und „Halbmondort“ 1,5 x 2,5 cm

montiert me 99,00 EUR / 110,00 EUR ws [Detailbild]

-

XV_201d_me_ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

D-Riefen angenäht me_ws

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

E


-

schlichte Formen


mit angenähten Schnallen ohne Blechbefestigung







rechts aussen: rustikaler Weißmetallüberzug im althergebrachten Schmelztauchverfahren mit flüssigem Zinn

-

XV_216e_me

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen angenäht

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

-

XV_216e_me_ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppeloval Riefen angenäht, rustikal verzinnt

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

E


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schlichte Formen


mit angenähten Schnallen ohne Blechbefestigung



grosse eckige Doppelschnallen an einfachen Männergürteln siehe Hofer Altar 1465, „Waffenknecht“ in St Cäcilien Köln 1470c, „Johannes“ und „Joseph“ Schottenstift Wien 1470c, „Johannes“ Ulm 1470c, Memlings „7 Freuden Mariens Pina 1480c, „Christopherus“ Laatsch v1489, „Apostel“ Oberschwaben 1490c, „Johannisaltar“ Schw Gmünd 1500c, „Peter- u Paul Altar“ Heilsbronn 1510, „Johannes“ Xanten 1515, „Mauritius“ Heilsbronn 1515, „Petrus“ Rottweil v1519, Altar Mechelen-Danzig 1520, Scherge Altar Ulm-Zwiefalten 1522, Passionsrelief Ulm 1525c, Gürtler des Hausbuchs 12Brüder-Stft Nürnberg 1568

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XV_230e_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle angenäht

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

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XV_232e_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle angenäht

und schlichtes Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 99,00 EUR

E


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schlichte Formen


mit angenähten Schnallen ohne Blechbefestigung



Schnalle rustikal Anf. XVI. Jh

rechts aussen: rustikaler Weißmetallüberzug im althergebrachten Schmelztauchverfahren mit flüssigem Zinn

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XV_229e_me_ws

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppel abgerundet angenäht, verzinnt

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

[auf dem Bild provisorisch an ein Stück Leder gefügt]

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XV_225e_me_ws

25 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Eckig abgerundet angenäht, rustikal verzinnt

und Ortblech 2,5 x 2,5 cm

montiert 110,00 EUR

[für Puristen, vom Original kaum zu unterscheiden]


[„für Puristen, vom Original kaum zu unterscheiden“]


Exkurs 9: Faszination Tafelbild und Aufführung/Schauspiel

Zu den Anfängen im HMA mit „Oster-, Weihnachts-, bzw Dreikönigsspielen“ in Latein siehe Die bewegte Liturgie der Kleriker-Schauspiele. Aus den Kirchen verlagerten sich die Aufführungen auf öffentliche Marktplätze mit Einrichtung von Simultanbühnen unter Beteiligung der Bürger und Zünfte mit Dutzenden von Darstellern und einem Spielleiter. Diese Großereignisse, an mehreren Tagen stattfindend und in Volkssprache gehalten, hatten enorme gesellschaftliche Bedeutung in den Städten. „Propheten“ und „Heilige“ wurden gemimt, es gab musikalische Einlagen und in das ernste biblische Geschehen schob man komische oder satirische Passagen ein, indem man z.B. das Rittertum mit den schlafenden Wächtern am Grab verhöhnte oder Knechte beim Vorgang des Geisselns. Beides gut dokumentiert durch die zeitgenössische Kunst. Auch Apotheker bsplw bekamen „ihr Fett weg“ wenn es um den Kauf der Salben vor dem Ostermorgengang zum Grab ging. Parallel zu den liturgischen Spielen entwickelten sich Narrenfeste zur Volksbelustigung wie die „rederijker-Spiele“ von Handwerkern und Kaufleuten mit lustigen und moralisierenden Stücken in den Städten der Niederen Lande. Auch der sinnenfreudige Karneval wurde exzessiv zelebriert – Parallelen zu heute sind nicht zufällig. In unseren Tagen scheint das Theater elitär - Kino, Fernsehen und Internet haben die Massenunterhaltung übernommen. Die Beeinflussung mittelalterlicher Schauspiele auf künstlerische Erzeugnisse damaliger Zeiten zu leugnen, bedeutet übertragen auf die Gegenwart die „Unterhaltungsindustrie Hollywoods“ als beiläufiges Nebenwerk der Moderne herunter zu spielen. Man wird unsere Geisteshaltung in ferner Zukunft wohl auch an filmischen Erzeugnissen messen, wenn heutiges Leben schon lange vergangen. Ich halte es durchaus für statthaft in spätmittelalterlichen Tafelbildern nach Versatzstücken, Elementen und Spiegelungen von Schauspielen zu suchen. Dass die kunsthistorische Entwicklung eine unleugbare Eigendynamik hat, ausgehend von Meister-Biografien, Gesellen, Malerschulen, „Kunstreisen“, dem Kopieren und Vervielfältigen, der Verbreitung über Buchmalerei und Druck uvam, wird in der modernen Forschung zur Genüge berücksichtigt, wäre aber durchaus erweiterbar.

Nicht zuletzt durch den Aufbau in der Konzeption der Tafelbilder mit dem „Volkreichen Kalvarienberg“ nach ital. Anleihen und dem genialen Durchbruch in der niederländischen Malerei seit van Eyck in den 1420ern, drängt es sich für den Betrachter geradezu auf anzunehmen, dass eine der Inspirationsquellen für Maler bei den Laien-Schauspielen lag. Immer wieder wird der bühnenartige Aufbau der Bilder von der Forschung erwähnt, die auch Nebenhandlungen erfassten. Eine „Verfestigung im Bild“ mag man in der Kreuzigungszene an der nördlichen Sanktuariumswand der Johanneskapelle am Dom zu Brixen von 1330-40 sehen. Im Prinzip ein „Volkreicher Kalvarienberg“ mit den leidenden weiblichen Darstellerinnen und Johannes zur linken, mittig Longinus mit Lanze und Stephaton mit Essigschwamm, zur rechten Hauptmann, Hohepriester und das „militärische Fachpersonal“ - alles ist erwartungsgemäß da. Und dann schaue man auf den Hintergund. Es findet sich keine tradierte Goldfläche und noch keine Andeutung vom Himmel über Golgatha im neuen Stil, sondern dort sind Kirchenfenster! Auch wenn man keine dokumentarische Absicht erwarten darf, wirkt das Dargestellte wie eine Szene und zwar eine Schauspielszene, vor dem Dom. Diese erfährt nun eine Überhöhung durch die Nimben der Heiligen, erhält auch eine humoristische Note durch die Einfügung von Engel und Dämon/Teufel auf dem Querbalken des Kreuzes. Das heißt, der Maler hat sich an der Aufführung orientiert, fügte aber weitere kreative Bildelemente hinzu.

In der Folgezeit ist die Verwendung von Perspektive und tiefer Räumlichkeit in den Bildern der künstlerischen Entwicklung geschuldet, wie bereits skizziert, ausgehend von Italien über Frankreich und Burgund (obere und niedere Lande) bis nach Dtld, das hat mit Schauspielen nichts zu tun. Aber es ist der Kniff flächiger Malerei Ebenbürtigkeit gegenüber dreidimensionalen Aufführungen zukommen zu lassen. Die Niederen Lande waren nicht nur Ausgangspunkt der neuen „Realismus-Malerei“, auch öffentliche Schauspiele und Umzüge wurden zum Höhepunkt geführt, gepaart mit der devotio moderna seit 1400, welche die „Nachfolge Christi“ geradezu als eine Teilnahme am biblischen Geschehen forderte, zunächst im privaten, bald im öffentlichen Bereich, mit Aufruf zur compassio, dem aktiven Mitleiden. Bereits vorher mögen Maler zur Bildfindung und Komposition Anleihen beim Schauspiel gemacht haben, doch die fehlende Räumlichkeit, Goldhintergründe oder Aureolen schufen kaum Wirklichkeitsnähe. Der Durchbruch zur realistischen Darstellung, nach unserer modernen Betrachtungsweise, bildete erst der neue Malstil des XV. Jhs, nicht nur durch die Anwendung von Perspektive, sondern auch - sensationell bestechend - durch die Verwendung hochglänzender Ölfarbe, statt der bisher genutzten stumpfen Tempera-Farbe. Aus der genauen Beobachtung und Aufnahme von natürlichen Details, kombiniert mit schauspielerischen Elementen und bühnenartigem Aufbau entwickelte sich ein neuer Kunststil, der alte Mal- und Sehgewohnheiten ablöste. Forscher wie A. Saliger hatten bereits angemerkt, dass Interieur-Szenen des Wiener Schottenaltarretabels von 1469-72 eine Wirkung von „Spielständen“ in Kulissen hätten, wobei die realiter dahinter befindlichen Bauten der Stadt auf den Aufführungsort Wien verwiesen. Trennwände und Podien scheinen wie „Bühnenversatzstücke“ in den Bildern thematisiert! Auffallend sind die personellen Wiederholungen von Statisten auf unterschiedlichen Bildtafeln des Wiener Altarretabels, als wären es auch hier dieselben Beteiligten in unterschiedlichen Szenen! Der „bühnenartige Aufbau“ ist bereits im frz Stil Ende des XIV. Jhs mit Loslösung von der tradierten Goldgrundmalerei zu beobachten, angeregt durch Einflüße Italiens architektonische Bildelemente hervorzuheben mit Räumlichkeit schaffender Architektur, Durchblicke gewährend. Die Kreuzigungsszene in St Petri zu Soest, eines niederdt. Meisters um 1435, weist eine Simultan-Darstellung auf. Drei Schergen entkleiden Jesus auf der rechten Seite des Retabels und würfeln dann im gleichen Bild auf der linken um den Rock. Für uns von Interesse die Details von Gürteln, Taschen, Beinlinge, etc.[5]

So gerieten, mglw den Schauspielen geschuldet, zunehmend untere soziale Schichten ins Blickfeld der künstlerischen Darstellung. Die Hauptprotagonisten in den „Szenen“ sind oft zu entschlüsseln, sollten aber für den heutigen Reenacter bzgl der Umsetzung mit einem gewissen Abstand betrachtet werden, während Statisten des Hintergrunds oft unmittelbar dem städtischen Alltag entnommen zu sein scheinen. Wie ein Spiegelbild des Publikums, erscheint deren Kleidung zeitgemäß, wirkt oft abgetragen oder verschlissen. Mit den Schergen als Wächter, Peiniger oder Würfler wurden einfache Darstellungen thematisiert. Doch in welcher Form? Deren Kleidung wirkt in Details manchmal überzogen, zum Ende des Jhs mit recht expressiven Tendenzen in Farbgebung und Schnitt, wirkten „italienische Modetorheiten“? Requisiten der Schauspiele sollten mglw befremdlich sein, um zeitliche und örtliche Distanz des Dargestellten zu verdeutlichen, alltägliche Dinge wurden umgeformt oder ungewöhnlich arrangiert und neu kombiniert. Ausschlaggebend waren politische Hintergründe. Im SMA hatte die „Osmanengefahr“ im Mittelmeerraum bedrohliche Präsenz. Es gab Aufrufe zu Kreuzzügen, Kämpfe auf dem Balkan und 1480 einen Angriff auf Otranto/Italien, 1492/93 kämpfte man bei Villach. Oft werden die „Türkenkriege“ erst der frühen Neuzeit zugerechnet, aber die Gefahr war im SMA latent vorhanden und bestimmte politisches Denken. Man schaue sich mal an, was der Ritter und „Sänger“ Oswald von Wolkenstein 1445 in seiner Waffenkammer hinterließ [siehe Exkurs: Hundertschaft-Gefolgschaft-Lehnswesen-Ministeriale], da sind eine ganze Reihe Gegenstände osmanischer Herkunft.[6]

In den Passionsszenen stellte man Schergen, Geißler und Würfler mit sehr drastischen Mitteln dar. Durch die Verhöhnung Christi geben ihre grienenden, diabolisch grinsenden Gesichter eine gewisse Einfältigkeit wieder, vermitteln zuweilen den Eindruck als wären sie wahnsinnig. Mußte man in den Augen dieser Zeit in diesem Geisteszustand gewesen sein es zu wagen den „König der Könige“ zu verspotten und zu schlagen? Zeichen des Standes, aber auch der Einfältigkeit mag ihre häufig nachlässig sitzende Kleidung sein. Sie sind Außenseiter der Gesellschaft, „ihre Seelen scheinen verdammt“ [...um mittelalterlich zu sprechen, … ich persönlich weiss allerdings bis heute nicht was die „Seele“ sein soll, diese eigenartige griech Erfindung]. Mit den Kunstgriffen der Retabel-Maler kamen mglw das Gebärdenspiel und die expressive Mimik von Schauspielern zum Ausdruck, die vor großem Publikum deutlich sichtbar agieren mussten. Egal wie man zu den Überlegungen „Tafelbild-Schauspiel“ steht, für den damaligen Betrachter eines Stückes, wie für den heutigen Betrachter eines Bildes ist der expressive Ausdruck gleichsam von hohem Aussagewert.[7]





Historischer Kontext Anfang XVI. Jh:

Die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts brachten religiöse und innenpolitische Auseinandersetzungen. Der Kaiser kämpfte in Norditalien. Die Gewinne aus den neuen Kolonien in Übersee konnten die enormen Kriegskosten nicht decken. 1527 kam es zur Plünderung Roms und mehrmonatiger Besetzung durch die Kaiserlichen. Augenzeugen verglichen die Zustände mit der Plünderung durch die Goten 410. Man wird in beiden Fällen kaum ermessen können, was an Beute aus den Bürgerhäusern verschleppt wurde und anderen Orts stilbildend Wirkung zeigen sollte. Nördlich der Alpen ließen Bürgerkrieg, wirtschaftlicher Rückgang und Geldentwertung weite Landstriche veröden und die Bauernschaft verarmen. Demgegenüber stand das internationale Ansehen und politische Gewicht der Städte, in denen das Bürgertum emanzipiert einen eigenen Modestil prägte. Italien war in diesen Belangen durch die Tradition der Stadtrepubliken bereits weit fortgeschritten. Dort wurden weniger spitze gotische, sondern eher breite und runde Formen bevorzugt, so dass sich die ital. Mode vom burgundischen Stil entfernte, der nach den katastrophalen Niederlagen Karls des Kühnen nicht mehr den Stellenwert besaß. Auch „geschlitztes Zeug“ und mi-parti in den jeweiligen Stadtfarben fanden dort schon lange Verbreitung.

Die „Italienischen Kriege“ zeigten nun auch den Franzosen endgültig, dass der alte Standesdünkel, mit dem das Rittertum behaftet war, zu Grabe getragen werden musste. Seitdem Schweizer Miliz im XIV. Jh Habsburger Invasoren in die Schranken gewiesen und sie ihre Stärke gegenüber Burgunder Soldarmeen unter Beweis gestellt hatte, war ihre Infanterie in massierter Aufstellung von europ. Schlachtfeldern nicht mehr wegzudenken und agierte nun selbst im Sold. Beurteilung der Schweizer vor den Burgunderkriegen: „Denn damals waren sie noch nicht so geschätzt wie jetzt, und es gab nichts Ärmeres“ [BuiA, S. 281]. Ihre Taktik wurde europaweit übernommen und Reisläufer der Eidgenossen galten als „Exportschlager“, aus Amateuren waren Profis geworden. Sie schulten die frz Armee Ludwigs XI. (1461-83) seit Anf der 1480er Jahre und bald darauf zogen die ersten nach Spanien, um dort die Infanterie mit Stangenwaffen zu drillen, gefertigt von den „Bartenhauern“, wie Piken, Helmbarten, Gleven oder Roßschinder. Sie bildeten „Soldatenigel“, für Kavallerie unüberwindlich. Die Pikeniere trugen nur vorne auf der Brust einen Körperpanzer, da man dem Gegner nicht den Rücken zudrehte. Hinzu wurden seit dem XV. Jh Feuerwaffen massiert eingesetzt, die Kombination war richtungsweisend zur Ausbildung der berüchtigten span. tercios.

5. Spezielle Renaissance Formen ab 1500

Vom niederländisch-burgundischen zum italienischen Stil

(viele der oben aufgeführten Beispiele der 2. Hälfte des XV. Jhs liefen bis in die ersten Jahrzehnte des XVI. Jhs, bei Männern an breiten und bei Frauen an schmalen Leder- oder Textilgurten, hier ergänzt nun Schnallentypen, die erst ab 1500 nachweisbar sind)

Bündner“ Hauptleute im Sold

Rinke = Schnalle / Spenglin = Zierbeschlag (Niete) / Senkel oder Ort = Zunge

eis = Eisen, me = Messing, ws = Weißmetallüberzug, vs = versilbert, vg = vergoldet

FO = Fundort, AO = Aufbewahrungsort

Auf dem Weg in die Neuzeit war die Entdeckung der „Neuen Welt“ sicher ein wichtiger Schritt, aber auch die „Alte Welt“ hatte sich neu entdeckt. Das „Verfallsdatum“ des Mittelalters schien aufgehoben und die Reformation schuf ein neues Verständnis des Glaubens. Ursprünglich für das Heil der Seele gute Taten benötigend, folgte die Gewißheit, dass es dieser Werke nicht mehr bedurfte. Ganz im Gegenteil, der Calvinismus [s.u.] kreierte einen neuen Menschenschlag, der mit materialistischer Mehrung und selbst mit Habsucht, einst große Sünde, das Wohlgefallen Gottes finden konnte. Zuvor galt dies mit einem christlichen Armutsideal unvereinbar.


Quellen und Mode zu Beginn des XVI. Jhs:

Im Reich liefen in der Sachkultur manche spätgotische Formen zu Beginn des Jhs noch weiter abgelöst durch ital. Einflüße, nicht mehr die Vertikale, sondern die Horizontale betonend. Kopfbedeckungen wurden flacher, die Linien der Schultern und Arme und auch das Schuhwerk gingen in die Breite. An den Gürteln der einfachen Schichten sind nun auch bei Frauen grössere lederne Taschen zu entdecken und nicht mehr nur kleine Beutelchen, das war ein Novum und mag mit der Darstellung von Marketenderinnen zusammen hängen? Nur die Landsknechte durften sich nach den Italienfeldzügen Karls. V., mit Duldung durch die Potentaten, auffällig kleiden. Waghalsige Farbkombinationen erfreuten das Auge. Das geschlitzte Zeug fand sich, als unmittelbare Anleihe aus Italien, eigentlich nur bei ihnen.

Im zunehmenden Maße wurden in der bildenden Kunst Themen der Historie, vornehmlich der Antike, Mythen und Allegorien verarbeitet. Buchdruck und Holzstiche dienten in der Verbreitung einem größeren Publikum als je zuvor. Damit war auch die Verbreitung von Motiven und Ideen der Bildfindung mehr Möglichkeiten gegeben. In der Renaissance-Malerei Italiens verändern sich die biblischen Motive vollkommen. So erhielten z.B. antike Römer durch die ital. Möglichkeiten an erhaltenen Skultpturen und Sarkophagen geschult auch ein weströmisches Aussehen und kein byzantinisches oder orientalisches, wie lange Zeit üblich.

Bislang galt die Reichskleiderordnung, oft noch durch die Städte modifiziert, sie regelte was jedem Stand an Gewandung angemessen war. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 wurde dem Bauern und Tagelöhner bsplw vorgeschrieben keine Pelze und nur einheimische Tuche zu verwenden. „Und die röck nit anders dan zum halben Waden, auch daran nit über sechs falten machen lassen sollen...und eyn barchen Wammes on grosse weite ermeln machen lassen aber in alle weg unzertheylt, unerschnitten und unzerstückelt.“ Verboten waren ihnen „straussfedern oder seiden hosenbendel und ausgeschnitten schouh, noch bareten, sondern hüdt und kappen.“ Also durften sie kein Biret/Barett tragen. Der Bauersfrau waren goldener und silberner Zierrat und ein Seidengürtel verboten, Lamm- und Ziegenfell, die „schlechte Beltz“ erlaubt und den Jungfrauen ein „harbendlin von seiden“ gestattet. Die Bürger wurden eingeteilt „Item nach dem in stetten gemeynlich dreierley Burger und innwoner seind als gemeyne Burger und Handtwercker, kauf und gewerbsleut und andere so im Radt von geschlechten oder sunst ehrlich herkommen und irer zinss und renthen sich erneren [WHS, S. xviii]. Dem gemeinen Bürger, dem Handwerker und seine Gesellen waren Felle von Lamm, Fuchs und Iltis erlaubt. Die Bürgersfrau durfte sich mit unvergoldetem Silber schmücken. Dem Kaufmann und Handwerker im Rat wurde edles Tuch zugestanden aber vom Wert nicht über zwei Gulden pro Elle. Seine Frau soll kein Kleid mit mehr als zwei Ellen Samt, Seide, Atlas oder Damast verbrämen, Eichhörnchenfell war ihr erlaubt. Ein Gürtel durfte ihnen bis zu 20 Gulden wert sein. Auch dem Bürger vom Rat und dem Patrizier (Stadtadel) wurde Mäßigung auferlegt, indem er sich nicht prunkvoller als der Kaufmann zeigen sollte. An der Schaube durfte er Pelz vom Rückenmarder tragen, auch das Biret/Barett verbrämt, geschmückt oder aus Samt. Den Stadträten oblag es die Einhaltung der Ordnungen zu überwachen, doch gleichermassen versuchten die Bürger sie zu umgehen.

Katastrophale Auswirkung auf die Anzahl der uns heute zur Verfügung stehenden spätmittelalterlichen Quellen hatten die „Bilderstürme“ der Reformation, wie 1531 in Ulm und die Kriege des XVII. Jhs. Ob Zwinglianer aus Zürich oder Calvinisten in den Niederen Landen alle wirkten recht gründlich. Religiöse Bildwerke wurden als überkommene Zeichen der herrschenden Klasse und einer nicht mehr akzeptierten „Gott gewollten Ordnung“ zerstört, so dass einige Quellen unwiederbringlich verloren gingen. Im Zuge dessen wurde Klöster aufgelassen und auf Geheiß der religiös neu ausgerichteten Landesherren liturgisches Gerät, Silber- und Goldschmiedearbeiten eingeschmolzen, sogar das Abschaben des Goldes von Tafelbildwerken wurde befohlen. Ganze Berufzweige wurden arbeitslos und sattelten um auf profane Erzeugnisse, bescherten z.B. der Inneneinrichtung einen Aufschwung, indem man Mobiliar schuf, dass mit Motiven der Architektur versehen war. Muscheln, Girlanden, Masken oder Putten aus der ital. Kunst tauchten auf. Auch die Grabplastik bekam eine neue Ausrichtung, statt religiösen Motiven rückten allegorische oder mythologischen Themen in den Vordergrund. Glasmaler schufen in Süddtld für profane und öffentliche Bauten Wappenfenster, die als „Schweizer Scheiben“ bezeichnet wurden, denn Aufträge kamen nun von Fünften und Patrizierfamilien, welche der Heraldik große Bedeutung einräumten. In Straßburg wurde zur Erlangung der Meisterwürde 1544 verlangt ein Meisterstück in „Welscher Art“ und eins in „Teutscher Art“ zu erstellen.

Kleines Bonmot: Barbara Blomberg, Tochter eines Regensburger Gürtlers brachte 1547 nach einem Techtelmechtel mit Kaiser Karl V. einen unehelichen Sohn zur Welt, später als Don Juan d´Austria Sieger in der Seeschlacht von Lepanto. Zur Zeit Karls V. sollte die Mode unter spanischem Einfluß strenger werden. Die Vornehmen werden wieder in Schwarz gekleidet gehen, wie vormals am burg. Hof, aber das ist eine andere Geschichte...

D


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untere MITTELSCHICHT







Schnalle nach 1500 Quelle: Ross Whitehead

Halbmondort nach wie vor häufiger Gürtelabschluß an Taschen und Gürteln Anf. XVI. Jh


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XV_320e_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle mit Zier

und schlichter Halbmondort 2 x 3 cm

montiert 99,00 EUR

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XV_320d_me

30 mm Riemen (natur/dunkelbraun/rot/schwarz)

Doppelschnalle mit Zier

und gr. Ortblech 2,5 x 3 cm

montiert 110,00 EUR


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Quellen und weiterführende Literatur (Information für oben verwendete Kürzel [fett]):

- Becks, J. u. Roelen, M.W.: Derick Baegert und sein Werk, Wesel 2011.

- Bergamini, G.: Miniatura in Friuli. Catalogo. Villa Manin di Passariano (Udine) 1985.

- Borchert, T-H. (Hrsg.): Van Dyck bis Dürer. Altniederländische Meister und die Malerei in Mitteleuropa, Stuttgart 2010.

- Brant, S.: Das Narrenschiff (urspl Basel 1494) [SBNa], Wiesbaden 2004.

- Dericum, C.: Burgund und seine Herzöge in Augenzeugenberichten [BuiA], Ausgb. München 1977

- Desch, J./Herrbach-Schmidt, B.(Hrsg.): Mittelalterlicher Führer durch die Abteilungen HMA u SMA. Badisches Landesmuseum Karlsruhe [BLK] 2009.

- Die Welt des Hans Sachs, Ausstellungskatalog der Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg 1976 [WHS].

- Embleton, G. u. Howe, J.: Söldnerleben im Mittelalter, dt, Stuttgart 2006.

- Fingerlin, I.: Gürtel des hohen und späten Mittelalters [Fi], München Berlin 1971.

- Geppert, S.B.: Mode unter dem Kreuz. Rogier v d Weyden und seine Zeit. Kleiderkommunikation im christl. Kult., Dissertation, Wien 2010.

- Geppert, S.B.: Mode unter dem Kreuz. Kleiderkommunikation im christl. Kult., Salzburg 2013.

- Huizinga, J.: Herbst d. MAs. Studien über Lebens- u. Geistesformen des XIV. u. XV. Jhs in Frkrch u. i. d. Niederlanden [HdM] (1919), Stuttgart 1987

- Husslein-Arco, A.: Sammlung Mittelalter im Belvedere, Wien 2014.

- Keupp, J.: Mode im Mittelalter [MiMA], Darmstadt 2016.

- Lenhart, U.: Kleidung und Waffen der Spätgotik III 1420-1480, Wald-Michelbach 2005.

- Lichte, C. u Meurer, H.: Die mittelalterl. Skulpturen. 2. Stein- und Holzskulpturen 1400-1530, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2007.

- Moraht-Fromm, A./Schürle, W.: Kloster Blaubeuren. Der Chor und sein Hochaltar, Stuttgart 2002.

- Musper, H.Th.: Gotische Malerei nördlich der Alpen, Köln 1961.

- Musper, H.Th.: Altdeutsche Malerei. Köln 1970.

- Palla, R.: Das Lexikon der untergegangenen Berufe. Von Abdecker bis Zokelmacher, Fkft/M 1998.

- Saliger, A.: Der Wiener Schottenmeister [DWSM]. München 2005.

- Schawe, M.: Alte Pinakothek. Altdeutsche und altniederländische Malerei. Katalog der ausgestellten Gemälde, Bd. 2. Ostfildern 2014.

- Thiel, E.: Geschichte des Kostüms. Die europ. Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart [GdK], Berlin 1997.

- Thursfield, S.: Mittelalterliches Schneidern. Historische Alltagskleidung zwischen 1200-1500 selbst gemacht [MS], Herne 2010.




Die Vergangenheit hat eine Zukunft, die niemand erwartet.“

Raoul Peck = Rottet die Bestien aus =


Das war´s mit den Betrachtungen zum Mittelalter.

Dank für Euer Interesse bis hierhin.

Wer den Ausblick in die Zukunft, äh...Neuzeit nicht scheut, lese weiter...


Von der Goldzeit...

Der „stolze“ Dom zu Cölln am Rhein um 1500

...so endt das „medium aevum“ und eine neue Zit bricht an...




...und was für eine. Hatten wir Christen uns bisher in „Nächstenliebe“ selbst zerfleischt und Nachbarvölkern mit Feuer und Schwert die „Segnungen unseres Glaubens“ gebracht, waren nun Völker in Amerika und Afrika an der Reihe, abwertend eher als „Stämme“ bezeichnet. Es sollte nichts mehr so sein wie es war, wenn von sich selbst überzeugte Europäer, ethisch ach so überlegen, auf den Rest der Welt losgelassen werden würde...moralische Rechtfertigung fand der Imperialismus im Sozialdarwinismus der überlegenen Rasse...

...zur Geldzeit“

[oder vom Gold- zum Geldadel]




= Baustelle – hier wird neu sortiert =

Anhand einiger markanter Wendepunkte soll ein Ereignisgang in der Entwicklung des Bürgertums nachvollzogen werden, der uns in die Moderne führt, in Denkmuster zwingt, in denen wir uns vom Mittelalter weit entfernt haben. In den bisherigen Ausführungen wurde gezeigt, wie persönliche Freiheiten, die in vorchristlichen Gesellschaftsformen bei erheblich geringerer Bevölkerungsdichte in Mittel- und Nordeuropa existierten (Stand der Freien), mit römischer, feudaler und klerikaler Unterdrückung zunehmend verloren gingen. Es ist in allen Regionen zu beobachten wie diese Schicht schwand und in Abhängigkeiten gezwungen wurde. In der sozialen Rangstellung zählten schließlich nur Adel und Klerus, das Besitzbürgertum begann durch die Macht der Städte und durch frühe erfolgreiche Formen des kapitalistischen Wirtschaftens mehr Rechte einzufordern, kletterte in der Neuzeit zielstrebig auf Platz Eins der Rangliste, verdrängte und überwand alle anderen Kräfte. So wurde in der 2. Hälfte des XIX. Jhs in Nachwirkung der Romantik das Ansinnen formuliert die Ursprünge der bürgerlichen Kultur im Mittelalter zu suchen, z.B. in der intensiven Beschäftigung mit der Zeit Dürers. Im XVI. Jh beglückte Johannes Calvin (geb 1509 in Noyon), frz Student der Theologie und Rechte, das Genfer Bürgertum mit seinen Vorstellungen göttlicher Gerechtigkeit als ein Manifest neuer bürgerlicher Tugend.

CALVINISMUS

Werde reich, dann liebt dich Gott“. Der materielle Wohlstand sollte sich in der Ausgewähltheit durch Gott zeigen und jeder habe nun eine Chance auf Glück, ohne zu privilegierten Schichten von Adel oder Klerus zu gehören. Das eigene Wirken auf Erden werde von Gott positiv aufgenommen - Beruf sei Berufung. Mehrwert schaffen galt nicht mehr als Schande, im Gegenteil, auch Zins zu nehmen war keine gotteslästerliche Handlung mehr. Die neuen Lehren fanden bald Verbreitung in allen Kaufmannsmetropolen Europas. Wie im Glaubensfragen zerrissenen Frkrch waren in den spanisch dominierten Niederen Landen Calvinisten Repressalien ausgesetzt. Das sorgte über Jahrzehnte für einen Exodus von Verfolgten in die deutschen Territorien. Die Reichsfürsten profitierten vom ständigen Zuzug hochqualifizierter Kräfte vornehmlich in der Textilproduktion.

Die moralische Begründung lag nicht nur im Calvinismus des XVI. Jhs, sondern später auch in der „natürlichen Freiheit“ des Menschen nach Rousseau im XVIII. Jh und gipfelte im Ruf nachFreiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Die breite Masse, populus, das Volk, war lange Zeit der „Pöbel“, rechtlich „dem Vieh gleichstehend“ - verkäuflich, eintausch- und verhandelbar. Die Befreiung aus der Leibeigenschaft brachte vielen nur die Knechtschaft im kapitalistischen System, welche durch die städtische Massenverelendung sozialistischen Ideen zum Aufschwung verhalf.

...die nicht unbedingt von allen so empfunden wurde, da anwachsender Wohlstand vielen zugute kam, bis heute breite Existenzmöglichkeiten bot. Industrielle Revolutionen mit unterschiedlichen Entwicklungsschwerpunkten ermöglichten das Anwachsen hin zur Massengesellschaft mit ihren Großstädten....

...frühkapitalistische Wirtschaftsformen in weit vorangeschrittenen Genua mit zunehmender Privatisierung {weiter ausführen}, siehe Quellen für die Stauferzeit 1125-1250c:

...Das Bürgertum schuf seine ethischen Grundsätze. Gepaart mit den Betrachtungen des Gesellschaftsaufbaus nach naturwissenschaftlichen Grundsätzen wurde ein vernichtender Sozialdarwinismus geschaffen, die natürliche Rechtfertigung für den Anspruch des Stärkeren und die Ausbeutung des Schwächeren. Erst die literarische Kunstrichtung des Naturalismus sorgte für schwere Erschütterungen des Wirklichkeitsverständnisses mit Entlarvung der bürgerlichen Moralvorstellungen. Auch neue Erkenntnisse der Wissenschaft mit Quanten- und Relativitätstheorie sowie der Psychoanlayse Anf des XX. Jhs trugen ihren Anteil bei. Die zunehmende Verunsicherung drückten Kunstrichtungen des Surrealismus oder Futurismus aus, welche der Wirklichkeit ein neues Gesicht, eine neue Sprache verleihen wollten. Der totale Zusammenbruch erfolgte im I. Weltkrieg, politische Systeme und auch Währungssysteme waren keine Garanten von Stabilität mehr...

...Der Kapitalismus verwandelt alles sofort in eine Sphäre des Massenmarkts und des Profits, alles wird kommerzialisiert, zur Ware degradiert, zu einem Gegenstand der Manipulation und des Kampfes um Erfolg und Macht. Und vor nichts macht er halt, nichts bleibt unberührt, menschliche Freiheit, Glaube, Intelligenz und Hoffnung eingeschlossen... ...die Wandlung des Kapitalismus hin zum Monokapitalismus...

...Erkennbar in der Historie sind vielfach wiederkehrende Muster, immer geht es um Machtverlust und Machterhalt, wenn man das ständig lesen muss „macht“ es höchstens müde [und dann kommen so schiefe Gags dabei heraus]. Im Mittelalter ist alleine die Verquickung von Religion und Politik mehr als unglücklich...aber lassen wir das...im Dunstkreis der Macht stinkt es immer...

Das XXI. Jh wird religiös sein oder es wird nicht sein, zitierte P. Scholl-Latour den ehem. frz Kulturminister Andre Malraux. Scholl-Latour bemängelte die Schwäche der Vernunft orientierten laizistischen Gesellschaft gegenüber der religiös „aufgeheizten“, erkannte aber nicht, dass es eine Ersatzreligion gab: Das Geld.

...muss mal gesagt werden, schließlich stellen wir als Reenacter keine schöne Zeit dar und tragen eher zur Beschönigung bei, können uns vielfach nicht von einer „romantischen Verklärung“ freisprechen, weder der Mime des Adeligen, Nutznießer der Feudalgesellschaft, noch der Nordmann, welcher mit Sklaven als „Ware Mensch handelte“ oder der Ordensmönch, für den alle Unbekehrbaren verdammungswürdige Heiden sein mussten. Denn das Mittelalter war eine Epoche der Knechtschaft, der Sklaverei, geistiger und körperlicher Unfreiheit, sowohl für den Einzelnen, wie für die breite Masse, eine Gesellschaft der Eliten, gekennzeichnet durch Adelswillkür und Pfaffenherrschaft, Intoleranz und vielfältiger Beschränkungen… das, und noch viel mehr, wurde ab dem XVI. Jh auf ferne Kontinente exportiert, grub sich tief in fremde „Volksseelen“ ein, wo Menschen mit despotischer Unterdrückung erniedrigt und vollends deklassiert wurden – kein Wunder, dass man beginnen sollte Europäer abgrundtief zu hassen und bei sich bietenden Gelegenheiten auch zurück schlug/schlägt (politisch oder verbrämt religiös motiviert)…, vielleicht sollte ich doch mal über eine „Sansculotten“-Darstellung nachdenken? Aber die Frz Revolution hat die kolonialen und imperialen Bestrebungen nicht beendet, ganz im Gegenteil, sondern die napoleonische Konterrevolution ausgelöst und neue Kräfte an die Macht gebracht, das Besitzbürgertum, dessen Aufstieg im MA begann. Es (g)eiferte dem Adel nach. Seit Renaissance und Calvinismus gilt angehäufter Reichtum nicht als schändlich, sondern als förderlich. Besitz gilt es zu erhalten, besser noch zu mehren. Zum Adel siehe auch Ausblick in die Zukunft.

Wie schaut es nun aus in unserer Zeit, 500 Jahre nach Calvin, der Habsucht ethische und moralische Rechtfertigung verlieh, göttlicher Macht ein Wohlgefallen! Solche Weltanschauungen, die sich an Leistung und Macht orientieren fördern den Egoismus, falls es keine weiteren übergeordneten sittlichen Werteprinzipien mehr gibt. Fatal in einer Zeit, in der sich die Nachfahren der „Rockefellers“, „Rothschilds“ und „Morgans“ immer neue Freiräume verschaffen, vor allem im Bereich der Finanzgeschäfte, wie der Hedge-Fonds, die keiner staatlichen Aufsicht unterliegen, wenn sie an Hauptmärkten agieren, ihren Sitz aber in unkontrollierten Finanzparadiesen haben. Inzwischen will man angeblich dagegen vorgehen, da ihr volkswirtschaftlicher Schaden höher eingeschätzt wird als der Nutzen. Aber man sträubt sich Ordnung in die globalen Finanzmärkte zu bringen, so lange in London und New York davon profitiert wird. Unsere moderne Kultur ist im Kern ein „Kind“ der USA der Nachkriegszeit. Man ermöglichte den Deutschen, einer im Schock erstarrten Nation - innerlich zerrissen und beschämt -, die ihren Weg zu einer dauerhaften Demokratie in den 20er und 30er Jahren aus eigener Kraft nicht fand, eine Rückkehr zur Völkergemeinschaft, zu Akzeptanz und wirtschaftlichem Ansehen. Das war selbstverständlich nicht uneigennützig. Zu Zeiten des neu herauf dämmernden Konflikts der Weltanschauungen waren einige europ. Staaten Empfänger von Transferleistungen als Bündnis-, bzw Konsumpartner. Die USA kämpfte gegen die Ausbreitung des Kommunismus und Interessengrenzen wurden scharf abgesteckt. Im westlichen Bereich wurden Kultur, Sprache und Wirtschaft anglo-amerikanisiert. Östlich des eisernen Vorhangs herrschte Stalinistische Tyrannei und Willkür. Der Westen musste lange Zeit einem Weltwährungssystem vertrauen, welches nicht auf einer staatlichen, sondern seit 1913 auf einer privaten Währung basiert, durch die Gründung des Bankkartells der US-Notenbank „Federal Reserve“ mit Hoheit über den Dollar. Seit 1944 wurde er zur Weltleitwährung und ist in den 1970er Jahren von realen Werten, wie Gold, entkoppelt worden. Die Geldmenge hat sich seitdem vervielfacht. Es sind also lauter ungedeckte grüne Scheine. Doch wir haben uns alle darauf geeinigt, der Dollar sei was wert. Die internationalen Märkte zeigen aber, dass er wenig wert ist. Denn niemand kauft mehr US-Staatsanleihen, bis auf die „Fed“ selbst, welche sich ja für die US Währung verbürgt. Ähnlich handhabt dies die EZB mit dem EURO, vom Europäischen Gerichtshof legalisiert, bislang vergeblich vom Verfassungsgericht in Karlsruhe angemahnt. Ins Ausland wandern Dollars kaum mehr, aufgrund des US-Handelsdefizits gibt es dort bereits genug Gläubiger. In letzter Konsequenz bedeutet die massive Dollarabwertung eine elegante Entledigung von Auslandsschulden der USA, angehäuft aufgrund verfehlter Handelspolitik, auch die unglaubliche hohe Staatsverschuldung ist so zu bereinigen. 1914 entkoppelte die dt Reichsregierung die damalige Währung vom Gold, nachdem Edelmetallstandards Garanten der Währungssysteme waren. Den gewaltigen finanziellen Kriegsanstrengungen des I. WKs samt den Reparationszahlungen geschuldet kann das Ergebnis Anfang der 1920er Jahre als bekannt gelten. In der Inflation werden Guthaben gegen Schulden aufgerechnet. Alles reduziert sich auf reale Sachwerte, wird neu eintarifiert.

Wer sich an die Vergangenheit nicht erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

George Santayana

Von jenseits des Atlantiks aus den Schaltzentralen der Macht wird „Freiheit“ propagiert und wie hatte es der Sklavenhalter Jefferson in seiner Unabhängigkeitserklärung von 1776 postuliert: „...dass alle Menschen von ihrem Schöpfer mit unveräusserlichen Rechten ausgestattet sind und dazu gehören Leben, Freiheit und das Streben nach Glück.“, meinte er wirklich „alle Menschen“? Einher geht heutzutage ein Wirtschaftsleitsystem mit ausufernder Liberalisierung, unkontrolliertem Finanzkapital, mit Monopolismus und absoluter Marktbeherrschung. Das sind „Dschungel- und Naturgesetze“ ala Darwin mit einem „Recht des Stärkeren“ - Atavismen, eigentlich gedanklich überwunden, gehören sie in keine zivilisierte Gesellschaft. Der Sozial-Darwinismus mündete im Beziehungsgeflecht europ. Mächte in die Katastrophe des I. WKs. Die immer wieder propagierte persönliche „Freiheit“ gibt es in den USA tatsächlich (wenn man nicht gerade „farbiger Einwohner“ ist - „Jefferson“), denn sie ist personell-individuell und entsteht eher im gesellschaftlichen „Underground“, in vielen bunten und schrillen Lebensformen abseits des Althergebrachten. Ansonsten heißt es wie eh und je: „Geld regiert die Welt.“ Diese Machenschaften werden uns, auf Kosten von Schwächeren, Unprivilegierten, von Mitbewerbern, von Natur und Umwelt, als unvermeidlicher „Kampf um Märkte und Ressourcen verkauft“, hinzu mit der Hybris des Wachstums und des Mehrwerts, da Aktienmärkte und Anleger dies fordern,...Zahlen auf Papier und in den Rechnern ohne ausreichend reale Güter und Gegenwerte! Die Geldmenge hat sich um das x-fache gegenüber der real produzierten Gütermenge vervielfacht. Waren und Güter verlieren immer stärker und schneller an Wert. Diese deflationären Tendenzen werden durch Verschuldung aufgefangen. Aber die Staatsverschuldungen, welche gewichtig auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) drücken, haben Dimensionen angenommen als befänden wir uns in einem dauerhaften Kriegszustand und tatsächlich sind wir es ja auch. Das ganze System funktioniert nur solange, wie die Hauptgläubiger, die Zentralbanken, ihre Versprechen Kredite bereit zu stellen einhalten können. Was, wenn sie ihr Versprechen nicht mehr einlösen, wie die private Morgan-Bank 1907 in den USA, als sie viele Kleinbanken über die Klinge springen ließ? Auch heute hält das Morgan-Konsortium große Anteile an der privaten „Fed“. Der US-Finanzmarkt und Rating-Agenturen entscheiden heutzutage über Gedeih und Verderb von ganzen Nationen. Reine Geldgeschäfte machen pro Tag das 50 bis 100fache im Wert gegenüber dem Güterwelthandel aus. Und alles geschieht in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit, nicht zuletzt durch die Digitalisierung vorangetrieben, jeden bis zur Atemlosigkeit erfassend, weil man einfach „mit muß“. Maschinen sind eben schneller als Menschen und die Macht haben sie im weltweiten Börsen gestützten Finanzwesen bereits übernommen, kein Science Fiction. Große Katastrophe durch Programmierfehler wurden bislang vermieden, weil man in letzter Sekunde den Stromstecker zog – tatsächlich !!! Geld ist zum Maßstab aller Dinge geworden, an dem schlichtweg alles gemessen wird, um rentabel, profitabel und effizient zu sein. Sind das w i r k l i c h erstrebenswerte Ziele? Haben wir darauf in der menschlichen Evolutionsgeschichte seit Jahrtausenden hingearbeitet?

Nach der Neudefinition des Bürgers in der Frz Revolution konnten „bürgerliche Freiheiten“ in den letzten zwei Jahrhunderten mühsam erkämpft werden, haben bis heute für die Masse eine gewisse Suggestivwirkung (die wahren Profiteure spielen auf einer anderen Ebene, s.o.) und werden nun mit Digitalisierung, zunehmenden Kontrollsystemen im „Kampf gegen Terror oder Seuchen oder Umweltsünden oder was auch immer“ und nicht zuletzt durch unkontrollierte Finanzmächte, deren Vernichtungspotential ungeheuer ist, aufgegeben. Viele prangern Mißstände an, sind aber selten bereit auch etwas dagegen zu tun, der Digitalisierung folgen alle äusserst bereitwillig, Risiken und Nebenwirkungen läßt man unbeachtet auf der „Packungsbeilage“. Ach wie herrlich „frei“ sind wir heute..., gleichen wir mögliche Verluste also mit Konsum aus, verhalten uns systemkonform im Sinne der Profiteure, und werden einfach „glückliche Menschen“...ich habe den Eindruck, dass Science-Fiction-Filme aus meinen Kindheitstagen allmählich Realität werden...sie kamen aus den USA...amerikanischer Erzählkunst galt schon immer höchsten Respekt zu zollen …

Es fehlt uns nicht an Wissen, sondern an Mut es zu begreifen und daraus die Konsequenzen zu ziehen.“

Raoul Peck = Rottet die Bestien aus =

Was wäre zu tun? Vorrangig muß der zügellosen Spekulation auf den Finanzmärkten aus reiner Profitgier entgegen gewirkt werden, wie es z.B. Francois Mitterand oder Helmut Schmidt bereits Anfang der 1980er forderten. Es gibt 40 Jahre später genügend kompetente Mahner. Es würde sicher bessere Wirtschafts- und Gesellschaftsformen geben, aber Utopien sind immer schwer umsetzbar. Vermutlich wird die Zukunft nicht den großen staatlichen und überstaatlichen Organisationen und Institutionen gehören, wenn die Blasen alle zerplatzt sind, sondern privaten Unternehmen und kleinen regionalen Verbänden, wie damals in den antiken und mittelalterlichen Stadtstaaten. Wir sollten eigene praktikable Wege gehen und, wenn einmal vorhanden, zuerst die Errungenschaften unserer „sozialen Marktwirtschaft“ und der elementaren Grundversorgung durch übertriebene Liberalisierung nicht weiter aushöhlen. Freie Märkte haben die Möglichkeit Mehrwert zu schaffen, aber bitte auf breiter Basis und die muß auch erhalten bleiben, denn meist mündet diese Art der „Freiheit“ in Monopolismus, weil der Stärkste sich auf dem Markt durchsetzt. Im Vordergrund muß das Allgemeinwohl stehen und nicht die Interessen einiger weniger. „Eigentum verpflichtet“ laut Art. 14 des Grundgesetzes, deshalb darf es auch nicht in die Hände von verantwortungslosen Spekulanten geraten, die sich allen Verpflichtungen enthoben glauben...und übrigens, wenn schon einmal dieser „Rundumschlag“ erfolgt: Viel mehr Frauen in die Politik. Aber bitte richtige Frauen und keine verkappten Männer, Frauen, die mit „weiblichem Instinkt“ Politik betreiben, kommunikativ und darauf bedacht Leben zu erhalten und nicht zerstörend wirken wie zweifelhafte männliche Persönlichkeiten mit ihren dämlichen „phalliotischen Großmachtträumen“, die wohl im Bett interessant sein mögen, aber nicht auf das „Parkett der Diplomatie“ gehören. Sie sind genährt von Idealen einer schon lange überholten patriarchalischen Gesellschaft, gestützt durch hinfällig religiöse Systeme. Macht und Hegemonie dürfen nicht mehr zentrale Antriebskräfte im internationalen Gefüge sein. Solange wir solchen Atavismen folgen und das Recht des Stärkeren gilt, was immer zur Selbstzerfleischung der Menschheit führte, nicht endlich die Vernunft regiert, wird sicher auch dieser Science-Fiction irgendwann Realität werden - Große Probleme, wie das Hauptübel, die Überbevölkerung sowie daraus resultierende Verteilungskämpfe und Kriege, könnten mit einem Schlag gelöst werden: Durch die Kastration der männlichen Spezies mit Ausnahmen zur selektierten Fortpflanzung. Vielleicht ist unsere globale Mikroplastik-Verseuchung ein möglicher Lösungsansatz und die notwendige biologische Korrektur bzgl der bedrohlich wachsenden Bevölkerungszunahme, kann man wenigstens noch ein bißchen Spaß haben.....uff...

Der Mensch handelt nicht auf der unsicheren Basis des Vertrauens, sondern baut auf die sichere Basis der Kontrolle.“

Hans Joachim Morgenthau = Macht und Frieden =


I.-VIII. / IX.-XI. / XI.-XIII. / XIII.-XIV. / XIV. / XV. / XV.-XVI. Jh

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1/ Karl der Kühne von Burgund liebte es zu protzen und stach bei dem Treffen 1473 Friedrich III. (1440–93) aus: „Die Burgunder verachteten das kleine Gefolge des Kaisers und die ärmlichen Kleider,...“ [BuiA, S. 247]. Der Herzog zeichnete sich durch seine luxuriöse Prunksucht, das imposante Auftreten und Inszenierungen vor großem Gefolge aus, der burgundische Hof durch übertriebene Steifheit und Etikette, angefangen vom streng reglementierten Tagesablauf, über Tischsitten, den Ehrenkodex im Umgang miteinander, Vorrang- und Ehrerweisungen, Kniefällen, bis hin zur Verwendung von bestimmten Farben und Stoffen in Brokat, Samt und Seide, gestickten Devisen oder Monogrammen und Accessoires für die Kleidung. Der Hofstaat lebte wie in einem Schauspiel mit der artifiziellen Inszenierung eines Traums voll ritterlicher Heldenideale und Tugenden, eine Welt, die ihren Höhepunkt eigentlich schon lange überschritten hatte. Chastellain, der Hofchronist Karls, betonte, dass auf Ordnung und Führung des Hofstaates höchstes Augenmerk gelegt wurde, damit grenzte man sich deutlich vom eher chaotisch wirkenden frz Herrscherhaus ab [HdM, S. 37ff u 48f]. Viele Adelige schickten ihre Söhne zur Erziehung an den burgund. Hof, um sich dort die neuesten Sitten und Moden abzuschauen. Das Einräumen eines Vorrangs hatte Vorbildcharakter für die bürgerliche „Höflich-keit“, aus der „Höfisch-keit“, der courtoisie erwachsen, welche bis heute zum guten Ton gehört. Im Treffen mit dem Kaiser beabsichtigte Karl den Weg zur unabhängigen Königskrone zu beschreiten. Der Habsburger forderte im Gegenzug die Hand der burgund. Erbin Maria für seinen Sohn Maximilian. Durch diese Heirat wurde das burgund. Hofzeremoniell an das Haus Habsburg weitervererbt und spätestens mit Übernahme in Spanien war es das Modell aller Fürstenhöfe Europas - der Ursprung lag einst in Dijon. Mit dem Erbfall erhob Habsburg nun Ansprüche auf ehem. frz Territorium. Es kam zum Krieg und im Friedensschluß 1493 wurden Teile der Niederen Lande dem Reich angegliedert und die Oberen Lande kamen an Frankreich. Aus diesem Streit resultierte der jahrhundertelange Machtkampf der Franzosen gegen die Habsburger.



2/ Siehe dazu P. Marx in: Becks, Derick Baegert, S. 51 und BuiA, Philippe de Commynes 1470er, S. 249 „...und wenn es zwei verschiedene Nationen sind, so haben sie eine verschiedene Sprache und verschiedene Kleidung.“ Anzumerken gilt, dass der regionale Wechsel von Modeformen für den heutigen Betrachter vor allem an der Adaption dieses neuen Malstils und der neuen Bilderkonvention ablesbar ist! So ist die frühe Übernahme im Maas- und Rheinland (z.B. durch Stefan Lochner in Köln), in unmittelbarer Nähe zu den reichen Städten der Niederen Lande, nachvollziehbar, mit einer zeitlich verzögerten Ausbreitung in die östlichen und südlichen Reichsgebiete, wo die Malerei der altniederländischen Schule angeblich erst in der zweiten Hälfte des XV. Jhs fasste, z.B. erwähnter Meister des Schottenaltars in Wien um 1470. Es gibt frühe Vorläuferwerke der 30er bis 60er Jahre aus Wien, die als Anregung gedient haben könnten den neuen niederländischen Stil umzusetzen, ohne dass der Meister selbst in den Niederen Landen gewesen zu sein. Andere Kunstgattungen, wie die Buchmalerei, erscheinen auf Reichsgebiet relativ statisch. Es war „Klein- und Gebrauchskunst“ und kein „großes Kino“, wie ein Tafelbild. Im Gegensatz zu Frankreich wirkten die deutschen Formen, meist ohne große fürstliche Auftraggeber, nicht hochmodisch und oft „hausbacken“. Hier kamen reale ortsgebundene Modeformen vielleicht eher zum Ausdruck. Bei den „internationalen Tafelbildern“ stellt sich für den Reenacter nun das Problem zu erkennen inwieweit die Kleidung der Protagonisten einen zeit- und ortsgemässen Bezug durch Aufnahme des Gewöhnlichen erfährt oder wurde mit „fremden Details“ auf den Bildtafeln die Sensationslust und der Bedarf nach neuer Mode geweckt, die es nachzuahmen galt, weil Künstler oder Werk aus weiter Ferne stammten? Es ließe sich spekulieren, dass der Osten und Süden Dtlds zunächst modisch anders ausgerichtet war, da sich Kleidung hier entweder durch die tradierten Kunststile (böhmisch schwerer Stil) dokumentierte oder mehr ital. Einflüße empfing. Dem gegenüber schienen sich im Westen neue Stile als modische Vorreiter Burgunds ausdrücken. Wäre dem so, dann sollte ein süddt oder oberösterr. Reenacter des XV. Jhs sich bzgl. des Gürtels z.B. nicht an Formen aus London, Dijon, Brügge oder Antwerpen orientieren. Denn dort herrschten mglw, den Bildern nach zu urteilen, zeitgleich andere Modeformen vor als in seiner Heimat?



3/ Sozialstruktur nach R. Kiessling, Bürgerliche Gesellschaft u Kirche in Augsburg im SMA von 1971, Kleiderordnung nach Kühnel, Alltag im SMA, S. 42 und Keupp, [MiMA, S. 56, 120 und zur Hurenordnung S. 123. In diesen Arbeiten wird noch einmal recht deutlich, dass ein gelbes Kleid nicht automatisch die Dirne kennzeichnete, sondern, regional unterschiedlich, gewisse Accessoires, wie Tüchlein, Hauben, Kappen, Schleier, Federn etc von gelber, roter oder grüner Farbe oder Farbanteilen den besonderen Status hervorhob, wobei Gelb durchaus seit röm Zeit als galante, erotische Farbe galt. Allerdings war sie auch ein Zeichen der „Falschheit“ und des Verrats, denn gerade auf spätmittelalterlichen Abbildungen der Jünger Christi wurde Judas gerne in gelbe Gewandung „gehüllt“, wie auf dem Retabel des Schottenaltars zu Wien gegen 1470. In manchen Schweizer Orten und in Köln wurden im SMA z.B. rote Kappen, in Göttingen rote Schuhe, in London bunt gestreifte Hauben und in Augsburg grüne Streifen auf dem Schleier zur Kenntlichmachung vorgeschrieben. In der zweiten Hälfte des XIII. Jhs waren safrangelbe Gebände der „letzte Schrei“ und der Wanderprediger Bertold von Regensburg wetterte: „Ein bloßer Nacken und ein gelbes Kleid, die locken manche falsche Freier an“, mit Erfolg nur Jüdinnen, Pfaffendirnen und „diejenigen, die auf dem Graben gehen“ zugehörig erklärend, so dass Ehrbare sie nicht mehr tragen wollten. Aber es wäre beispielsweise in Städten mit Anteilen von Gelb im Stadtwappen, wie Aachen, Amberg, Coburg, Dortmund, Goslar, Heilbronn, Nördlingen, oder auch Herzogenaurach (mit schwarzem steigendem Löwen auf gelbem Grund) unsinnig gewesen gelb bekleidete Personen der Prostitution zuzuordnen, wenn dort Stadtbedienstete in irgendeiner Form gelbe Kleidung, bzw gelb-schwarze getragen haben dürften. Im Alexanderroman der illuminierten Berliner Handschrift um 1300 wird natürlich Gold dem König zugeordnet, nicht selten für ihn auf Schild und Kleidung auch gelb verwendet, also Gelb-Gold als herrschaftliche Farbe mit hoher Signalwirkung. In Zittau wurde 1353 die Gugel, eher ein Kleidungsstück der Männerwelt, den „Henkersmägden“, Keupp vermutet dahinter Prostituierte, vorbehalten und den ehrbaren Frau untersagt. Allein wegen der Verwechslungsgefahr werden solche Verordnungen gegriffen haben.



4/ Auf Märkten habe ich nicht selten der Kleidung nach einen „Knecht/Kriegsknecht/Reisigen“ mit Nestelwams und Hose vor mir, der behauptet einen „Bürger“ darzustellen. Mitnichten, denn sonst würde er nicht in Kleidung herumlaufen, die großflächig leinerne Unterwäsche sehen läßt. Nur niedere soziale Schichten werden so abgebildet, bzw Menschen bei stark körperlicher Betätigung. Die Abbildungen Talhoffers von 1467 z.B. stellen solche Situationen dar mit Kämpfern zu Fuß ungegürtet in Nestelwams und Hose, wobei an den Ärmeln, unter der Achsel und im Brustbereich Unterwäsche hervorlugt. Im Kampf zu Roß werden hingegen Streiter, sozial über dem einfach Fußknecht stehend, mit gegürtetem Schwert und kurzer geschlossener Joppe dargestellt. Andere Abbildungen zeigen Bauern auf dem Feld und Handwerker in der Werkstatt, die sich bei anstrengender Arbeit mehr oder weniger der Oberbekleidung entledigen, auch bei Schanzarbeiten wird das üblich gewesen sein, denn im Feld galten andere Regeln. Ungefähr seit Mitte des XV. Jhs wurde es auf Tafelbildern mit Passionsszenen üblich, dass Knechte deutlich Unterwäsche zeigten (bis in die 1420er Jahre noch undenkbar). Auf Bildern von Hans Hirtz („Karlsruher Passion“) 1440c und dem Meister des Sterzinger Altars vor 1460 lugt Unterwäsche unter dem Wams deutlich hervor. Auf Abbildungen der Geissler von Baegert, Frueauf, Strigel, Schüchlin oder Altdorfer gegen oder um 1500 wird immer mehr gewagt. Im Gegensatz zu Bauern oder Knechten zeigen „Bürger“, wie Handwerker, Kaufleute oder gar Patrizier, in der Öffentlichkeit und zu offiziellen Anläßen großflächig keine Unterwäsche. Denn das wäre äusserst unschicklich. Zumal Maler selbst nicht selten angesehene Bürger in den Städten waren, die oft hohe Ämter inne hatten, siehe Bürger. Sie mussten in ihren Bildern Konventionen wahren und konnten nur mit „niederen Randfiguren“ über die Strenge schlagen, was sie dann wiederum gerne taten. In der 2. Hälfte des XV. Jhs begann auch die Bürgersfrau am tiefen Halsausschnitt und an den Ärmeln ein Stück des Untergewands zu zeigen, allerdings aus Seide. Der Adel, und durch ihn eingekleidete Höflinge, nahmen sich seit geraumer Weile die Freiheit heraus provokant den Brustlatz oder an den Ärmeln das weisse Hemd aus kostbaren Stoffen zu präsentieren, siehe Bilder von Memling, Frueauf dem Älteren oder das berühmte adelige Liebespaar aus Gotha um 1480/85 mit „offener“ Bekleidung von Wams und Kleid, die viel Seide an Ärmeln, auf Brust und Brustlatz sehen läßt und mit vergoldetem „Gesperr“ geschlossen wurde.



5/ Zu den Schauspielen siehe A. Saliger [DWSM, S. 57ff, S. 160 und S. 157], bzgl der „Dreikönigsspiele“ mit der illustren Nebenbemerkung, dass die Kronen der Hl Könige teilweise aus Papiermasché gefertigt wurden, vielleicht im Rahmen der parallel entstehenden sogenannten „Narrenfeste“ zur Volksbelustigung? In Antwerpen war Ende des XV. Jhs das Bildthema „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ recht beliebt, da sie eine gewisse Exotik boten. Im übertragenen Sinn symbolisierten die drei Könige drei Lebensalter und zugleich die Erdteile Europa, Asien und Afrika, weshalb der König des letzteren im SMA als Schwarzer Darstellung fand [Ars Sacra, S. 121]. Die Könige zeigen sowohl hochmodische und kostbare, als auch für Europa ungewöhnliche Ausstattungsmerkmale, um die Fremdartigkeit der Weitgereisten zu betonen. Die Anfänge lagen bei denKrippen- oder Dreikönigsspielen“, den Passions- oder Kreuzigungsszenen und führten zum „Volkreichen Kalvarienberg“. In Frankfurt/Main waren 1493 an der Darstellung des „Kalvarienbergs“ 280 Personen beteiligt! Um die jeweiligen Protagonisten zu identifizieren war es unerläßlich sie durch Kleidung und Attribute kenntlich zu machen. Wilhelm Rollinger inszenierte in den 1480er Jahren das Wiener „Passionsspiel“ bei St. Stephan, nach dem Vorbild der Aufführung aus Freiburg im Breisgau, das sich programmatisch angeblich im reliefierten Ratsherrenchorgestühls von 1486 im Wiener Dom niederschlug, 1945 verbrannt. Ein Abglanz des Spiels mögen die Wandmalereien von acht Passionsszenen an der Außenwand des Stephansdom wiedergeben. Die eindeutige Darstellung einer Prozession findet sich auf Stefan Lochners „Tempeldarbringung“ von 1447 mit Kerzen tragenden jugendlichen Meßdienern, siehe Details unter Mode in der ersten Hälfte des XV. Jhs.

Es scheint keineswegs vermessen Überlegungen anzustellen, ob Laien-Schauspieler mit ihren Kostümen und Teilen der Ausstattung den Malern Modell standen, ähnlich wie es von Bürgern auf Rembrandts „Nachtwache“ aus dem XVII. Jh bekannt ist. Das Hauptbild des Marienaltars in Salzburg von 1485c zeigt diesbzgl. ein interessantes Detail. Die drei Könige erweisen dem neugeborenen Jesus ihre Referenz. Der schwarze König trägt Stiefel, glaubwürdig für einen reisigen Reiter, zumal im Hintergrund das Gefolge auf den Pferden wartet. So stellte es bereits Gentile da Fabriano 1423 auf seiner „Anbetung“ in Florenz dar. Die Mannen warten artig, ein Gefolgsmann hält Pferd und Schwert des jüngsten Königs, während ein anderer ihm die mit Zieren beschlagenen Sporen abnimmt [Detailabb Sporen]. Folgerichtig stattete man Könige häufig mit Sporen aus, siehe „Anbetung“ im Suermondt-Ludwig-Mus. Aachen von 1470c oder auf dem „Maria-Teppich“ der 2. Hälfte des XV. Jhs in der ehem. Oettingen-Wallersteinschen Smlg mit Sporen und Lersen. Hingegen trägt auf dem oben erwähnten Tafelbild in Salzburg der König mittleren Alters, gerade im Begriff zu knien offene Leder-/Korksandalen („Schläppchen“), Attribut von Protagonisten auf Bildern mit städtisch bürgerlichen Bezügen [Originale z.B. im GNM Nürnberg oder Ledermus Offenbach]. Für einen Reiter sind sie eher unpraktisch, gelten auch nicht unbedingt als besonders königlich, stehen einem Bürger als Laienschauspieler, in die königliche Rolle geschlüpft, aber durchaus, denn sie entstammen seiner realen Lebenssphäre. Ähnlich siehe „Anbetung der Könige“ im hess. Schloß Braunfels um 1420 und auch das Bild der Anbetung des Antwerpener Meisters in der Pinakothek München von 1520, dort hinzu stark orientalisierende Elemente. Hier erwartet man unwillkürlich eine Sänfte im Hintergrund. Wird die Sache weiter ausgesponnen übernahm ein nobler Bürger im „Kostüm“ die Rolle des Königs, behielt aber sein eigenes Schuhwerk an. Jener wird auf der Bühne gestanden haben, um Tage später im Atelier des Malers für die Nachwelt erfasst zu werden. Vermutlich in der Weise, wie es dem Maler in den Bildaufbau passte und nicht unbedingt nach Schauspielablauf, der ja eigenen Gesetzmäßigkeiten folgte. Dazu kamen Requisiten aus dem Atelierbestand. Hier läge eine Erklärung für Wiederholungen und faszinierende Detailtreue der SMA-Malerei mit ihrer „fotografischen“ Genauigkeit, welche die Talente des Malers wohl in Bildkomposition und Ausführung forderte, in den Details aber nicht als Auswüchse seiner Phantasie gedeutet werden müssten. Manche Maler waren durch die Kulissenerstellung bereits unmittelbar an der Durchführung der Schauspiele beteiligt [siehe P. Marx in: Becks, Derick Baegert, S. 54]. Mglw fertigten sie sich während der Aufführungen Skizzen an, die sie für die späteren Tafelbilder verwendeten? Denn der Bildaufbau der Retabeltafeln musste einer inneren Logik folgen, wenn sie in der Komposition Bezug nahmen auf das Zentrum des Altars. Bzgl der Schauspiele fehlen uns meist Informationen, falls die Bilder nicht in irgendeiner Form darauf verweisen. Waren die Aufführungen eher minimalistisch ausgestattet oder wurde geprunkt? Es ist denkbar, dass es unterschiedliche Praktiken gab, abhängig von Zeit und Ort, Autor, Publikum und finanziellen Mitteln. Vielleicht rang man teilweise mit „deftigen und derben Zutaten“ um die Gunst des breiten Publikums? Wobei Massenaufläufe eine unkontrollierbare Eigendynamik entwickeln, wie zelebrierte Karnevals- und Fastnachtsbräuche oder der „Schembartlauf“ zeigen, siehe dazu Fußnote:Prozessionen.



6/ „Turbangeschmückte Orientale“ als Juden, Byzantiner/Rhomäer/Oströmer oder als „Türken“ waren nun nicht mehr eine Codierung, um auf den Schauplatz des Heiligen Landes hinzuweisen, wie bislang z.B. bei Darstellungen der „Wurzel Jesse“ als Stammbaum königlicher Vorfahren Christi aus dem Haus Juda so gehandhabt, sondern bekam politische Bezüge durch aktuelle Gefahren mit Schaffung eines osmanischen Feindbildes, aber auch mit Verunglimpfung des Gegners. Dem unaufhaltsamen Vordrängen der Osmanen auf dem Balkan konnte man keinen Einhalt gebieten. Ihre Armee galt als eine der bestorganisierten der Zeit. Könige mit ihrem Gefolge aus überrannten Territorien, die Krone und Land verloren hatten, „irrten“ an den Höfen Europas umher. Das machten sich Zigeuner 1427 in Paris zunutze, die sich als Adelige ausgaben mit großem „ägyptischen“ Gefolge. Auch der „Spiezer Schilling“ 1484n bildet fremdländisch gekleidete Zigeuner ab [749]. Spätgotische Tafelbilder zeigen zuhauf orientalische Attribute und Protagonisten in Stoffen mit östlichen Motiven, Turbane und eigentümliche Kopfbedeckungen, breite schärpenartige Bindegurte, Wehrgehänge mit Kettenverbindungen sowie Krummschwerter, Fratzen und Schreckmasken auf Schilden, Metallgürteln und Rüstungen [Zeugnisse haben sich in Rüstkammern bis heute erhalten, zur Entspannung oder Erheiterung siehe auch Klaus Kinski in „Aguierre“]. Stiche M. Schongauers um 1475, welche von T. Riemenschneider motivisch übernommen wurden, zeigen span.-maur. Schildformen. Verzerrungen, Verfremdungen und orts- bzw zeitgemäße Realien des heimatlichen Umfeld der Betrachter bildeten ein buntes Gemenge. Ansätze sind bereits auf Abbildungen Mitte des XIII. Jhs erkennbar (bsplw eine byzant. Rüstung auf der „Kreuzigungsszene“, Dombibliothek Hildesheim, vermutlich durch ital. Anregung), vermehrt ab 1400 nachweisbar und gerieten im Laufe des XV. Jhs, nicht zuletzt durch die neue Maltechnik, zu einer perfekten Illusion. Vielleicht wurde auch bewußt Unzeitgemässes auf die Bühne gebracht, da die Aufführungsorte in Konkurrenz zueinander standen. Es galt die Gunst eines grossen Publikums zu gewinnen. Ähnlich der Heiltumschauen oder geistlicher, weltlicher und königlicher Prozessionen waren das Massenaufläufe mit hohem wirtschaftlichem Faktor! So kann humorvoll, vielleicht auch „recht deftig aufgetragen“ worden sein, um die Gunst eines bildungsfernen Publikums buhlend. Wie wir aus dem mittelalterlichen Rechtswesen wissen, das nach dem Gerechtigskeitsempfinden von einem starken Rachebedürfnis genährt wurde, war man bei Urteilsvollstreckungen nicht zimperlich und mutete dem sensationshungrigen Volk einiges zu. Huizinga spricht von einem „Jahrmarktsvergnügen“. Auch waren die Vollstreckungen von Inquisitionsurteilen beliebte Massenaufläufe, wie die Autodafes in Portugal und Spanien, immer von dem Horror begleitet, dass es einen nicht selbst getroffen hatte...



7/ Es liegen, wie bereits erwähnt, höchst tendenziöse Bildinhalte vor, mit denen Maler Wirkung erzielen wollten. Eine Motivübertragung durch Bühnenstücke wird von der modernen Forschung verworfen, da sie der Druckgrafik als überregionales Verbreitungsmedium einen höheren Stellenwert einräumt. Aber nach alter Lehrmeinung galten solche Stücke sehr wohl als möglicher Erklärungsansatz für wiederkehrende Motive auf Tafelbildern, denn beiden Medien ging es um Eindeutigkeit. Ich halte diesen früher begangenen Betrachtungsweg nicht für verwerflich und Bilddetails sowie Kompositionen würden nicht mehr ausschließlich die Strahlkraft von großen Werken, Meistern und Werkstätten ausdrücken. Sicher spielen tradierte und bewährte Motive, Musterbücher, das bewußte Kopieren oder Werkstattkarrieren der Maler nach wie vor eine wichtige Rolle, aber die Theorien wären um eine interessante Nuance erweitert. Ein erfreulicher Nebeneffekt für die dargestellte Mode ist ein höherer Ortsbezug, wenn sich Maler am Schauspiel und an deren Protagonisten durch ein „Modell stehen“ orientierten und Bildelemente aus der Ateliersituation heraus erklärbar werden. Bei Tafelbildern ist ansonsten nicht unbedingt gesichert, dass sie das wiedergeben, was modisch draussen auf den Straßen der Stadt des Aufstellortes zu sehen war, wenn der Herstellungsort der Tafel weit davon entfernt lag, was nicht selten vorkam. Konkret stellt sich damit die Frage wie groß war der Unterschied der Mode um 1450 zwischen Brügge und Breslau und was ist der Gradmesser? Eigentlich spielen Bilder diesbzgl in der Wissenschaft die entscheidende Rolle. Ich möchte diesen Aspekt nicht noch weiter vertiefen. Schlussendlich ist das genaue Identifizieren von Protagonisten auf der Bühne für den damaligen Zuschauer, wie für den heutigen Betrachter auf Tafelbildern ein gemeinsames Unterfangen, das für uns eine unweigerliche Annäherung der beiden Ausdrucksformen von Schauspiel und Bild-Inszenierung, durch „in Szene setzenbewirkt. Heutige Darsteller für das XV. Jh sollten sich aufgrund von Detailfülle und hohem „Realismusgrad“ durch die scheinbare „fotografische Genauigkeit“ der Bilder in manchen Bereichen vielleicht nicht vorschnell zu einer „Eins zu Eins“-Übernahme verleiten lassen, ausserdem steht das „diabolische Grinsen und Grienen“ der Geissler nicht jedem...